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Geschichten aus dem Brennpunkt

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Von: Christian Schäfer

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Clemens Ertl Blaustich
Das Buch von Clemens Ertl ist in allen Buchhandlungen im Landkreis erhältlich und unter www.blaustich.de erhältlich. © Schäfer

Clemens Ertl arbeitete als Polizist lange im Brennpunkt rund um den Münchner Hauptbahnhof - bis er selbst ins Visier seiner Kollegen geriet. Jetzt hat der Polizist ein Buch über Geschichten aus dem Polizeialltag geschrieben

Grafing – Lorenz Hammerbauer arbeitet im Brennpunkt. Der Polizist ist einem Viertel eingesetzt, in dem Drogen, Schlägereien und Suizide zum Alltag gehören. Seinen Tag verbringt der Polizist mit Junkies und Hooligans, Obdachlosen und Szeneschnöseln, mit Halbverrückten und Menschen, für die diese Beschreibung noch schmeichelhaft wäre. Und Hammerbauer lässt uns an seinem Berufsleben teilhaben. Denn er ist der Protagonist im Buch „Blaustich – Geschichten aus dem Polizeialltag.“

Hammerbauer berichtet Brutales und Kurioses, Tragisches und Herzerwärmendes. Und er zeigt auf – wie zum Beispiel im Kapitel seiner eigenen Ausbildung – das Polizisten eben auch nur Menschen sind.

All diese Geschichten sind natürlich so nicht geschehen, „aber sie hätten durchaus so passieren können“, sagt Clemens Ertl, der das Buch geschrieben hat. Ertl muss es wissen, denn er ist selbst Polizist, der jahrelang rund um den Münchner Hauptbahnhof Streife gefahren ist – einem Bezirk, den man absolut als Brennpunktviertel bezeichnen darf. „Nach sieben Jahren dort habe ich alles gesehen, was man als Polizist erleben kann“, erzählt er. Clemens Ertl ist in Grafing aufgewachsen, sein Traum war es schon immer, dort Polizist zu sein, wo man auch etwas erlebt.

Auch sein Protagonist Hammerbauer erlebt viel. So zum Beispiel im Kapitel über die tragische Geschichte eines Junkies, wohlbehütet aufgewachsen, intelligent und eloquent, mit dem sich der Polizist immer sehr gut verstand – und der eines Tages verschwunden war und schließlich, an einer Überdosis verstorben, aufgefunden wurde. Das Buch hat jedoch auch viele humorvolle Passagen, gerade wenn der Autor einen Blick hinter die Kulissen des Polizeialltags wirft. „Es gibt sehr viele Bücher über Polizisten, aber nur wenige von Polizisten“, sagt Ertl. „Ich will in meinem Buch authentische Geschichten zeigen.“ Erlt zeigt, dass der Polizeialltag nicht immer nur herausfordernd und tragisch ist, sondern auch kurios und witzig sein kann.

SEK-Einsatz verändert sein Leben

Dass Clemens Ertl Zeit gefunden hat, das Buch zu schreiben, ist auch so eine tragische Geschichte. Vor zwei Jahren stürmten schwer bewaffnete Einsatzkräfte eines Sondereinsatzkommandos (SEK) nachts um 4 Uhr das Haus seiner Eltern in Grafing-Bahnhof, in dem sich Ertl gerade aufhielt. „Die haben mir einfach die Maschinenpistole an den Kopf gehalten“, sagt Ertl.

„Ich konnte mir das nicht erklären, ich habe in meinem ganzen Leben nichts Kriminelles gemacht, nicht einmal einen Joint geraucht“, sagt er. Nach und nach klärte sich der Sachverhalt auf. Dessen Ursprung lag dreieinhalb Jahre zurück. Ertl war mit seinen Kollegen am St. Patricks Day in einem Irish Pub in München feiern und ja, es wurde einiges an Alkohol getrunken. Ein Kollege schrieb seiner Freundin eine WhatsApp, „die anderen trinken und wir tdebzn.“ Dem Alkohol geschuldet vertippt sich der Polizist, Ertl sagt, sein Kollege wollte wohl tanzen schreiben.

Drei Jahre später, im Zuge des Münchner Polizeiskandal um koksende Beamte, kam auch dieser Chatverlauf ins Visier der Ermittler. „Die Kollegen haben aus tdebzn wohl rotzen interpretiert, ein Synonym für koksen“, sagt Ertl. Und da er damals mit gefeiert habe, geriet er wohl auch auf den Zettel der Ermittler, so die Vermutung von Clemens Ertl. Das harte Vorgehen seiner Kollegen kann er nicht nachvollziehen, „die stürmen das Haus meiner Eltern, mein 70-jähriger Vater war Gott sei Dank zu dem Zeitpunkt im Urlaub“, sagt Ertl. Die Ermittlungen gegen Clemens Ertl wurden alle eingestellt, dennoch haben die Ereignisse Spuren bei ihm hinterlassen. Bis heute ist er krank geschrieben, er leide an Herzrasen und Schlaflosigkeit. „Ich bekomme heute noch einen hohen Puls, wenn ich einen Streifenwagen sehe“, sagt er.

Aber ein gutes hat die Feier im Irish Pub damals doch gehabt. An diesem Abend lernte Clemens Ertl seine Freundin kenne.

Clemens Ertl „Blaustich – Geschichten aus dem Polizeialltag“

Lesung am Freitag, 24. Februar, 19.30 Uhr (Einlass 19 Uhr), Gemeindebücherei Markt Schwaben. Der Eintritt ist frei. Eine Anmeldung ist erforderlich unter Tel. (0 81 21) 41 81 90 oder per E-Mail an buecherei@markt-schwaben.de

Lesung: Freitag, 3. März, 19 Uhr, Stadtbücherei Grafing. Der Eintritt ist frei

Erhältlich ist das Buch im Internet unter www.blaustich.de und in allen Buchhandlungen im Landkreis Ebersberg.

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