Update vom 22. November, 9.12 Uhr: Russische Spezialeinheiten planen eine „false flag operation“ auf belarussischem Gebiet. Davor warnt laut dem US-amerikanischen Institut für Kriegsstudien (ISW) der ukrainische Militärnachrichtendienst HUR. Demnach wollen sie kritische Infrastruktur in Belarus angreifen und die Schuld dafür dann der Ukraine oder der Nato geben - „false flag“, also unter falscher Flagge. Ziel sei, das belarussische Militär dazu zu bewegen, an der Seite Russlands im Ukraine-Krieg zu kämpfen. Unabhängig prüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.
Die Militärexperten halten es aber für „sehr unwahrscheinlich“, dass Belarus unter seinem Machthaber Alexander Lukaschenko in den Krieg eintritt, da dies ein „schweres innenpolitisches Risiko“ für das Land darstellen würde.
Update vom 22. November, 6.40 Uhr: Das schwer beschädigte ukrainische Stromnetz dürfte auf Monate hinaus äußerst störanfällig bleiben: Die Stromtechniker versuchten ihr Möglichstes, die Schäden am Netz zu reparieren, bevor es noch winterlicher werde, schrieb nun der Chef des Stromversorgers Yasno, Serhij Kowalenko, auf Facebook.
„Auch wenn es jetzt weniger Ausfälle gibt, möchte ich, dass jeder versteht: Wahrscheinlich werden die Ukrainer mindestens bis Ende März mit Ausfällen leben müssen“, schrieb er. Der Netzbetreiber Ukrenergo kündigte für Dienstag (22. November) planmäßige Abschaltungen im ganzen Land an. Präsident Wolodymyr Selenskyj rief die Bürger zum Stromsparen auf.
Update vom 21. November, 22.50 Uhr: Laut dem ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj ist das durch russische Angriffe beschädigte Stromnetz der Ukraine weiter instabil. Am Montag habe das Land nicht nur mit geplanten Abschaltungen, sondern auch mit ungeplanten Stromausfällen zu kämpfen gehabt, sagte er in seiner abendlichen Videoansprache. Der Verbrauch übersteige die Stromproduktion.
„Heute abend ist die Lage in Kiew und Umgebung sowie in Winnyzja, Sumy, Ternopil, Tscherkassy, Odessa und einigen anderen Städten und Bezirken besonders schwierig“, sagte Selenskyj. Er rief regionale und kommunale Verwaltungen auf, die Bürger weiter zum Stromsparen anzuhalten. Auch im öffentlichen Raum müsse Strom gespart werden. „Der Systemschaden, der unserem Energiesektor durch die Anschläge der russischen Terroristen entsteht, ist so groß, dass alle unsere Bürger und Unternehmen sehr sparsam sein und den Verbrauch über die Stunden des Tages verteilen sollten“, sagte er.
Update vom 21. November, 20.59 Uhr: Die Internationale Atomenergiebehörde (IAEA) bezeichnet das ukrainische Atomkraftwerk Saporischschja als „weitgehend intakt“. Trotz des intensiven Beschusses am Wochenende gebe es keine unmittelbaren Bedenken hinsichtlich der nuklearen Sicherheit, sagte IAEA-Generaldirektor Rafael Grossi am Montagabend nach dem Besuch eines Expertenteams vor Ort. Die vier IAEA-Experten hätten das größte europäische Atomkraftwerk ausführlich unter die Lupe genommen. Der Status der sechs Reaktoreinheiten sei stabil und die Unversehrtheit des abgebrannten Brennstoffs, des frischen Brennstoffs und des schwach-, mittel- und hochradioaktiven Abfalls in ihren jeweiligen Lagereinrichtungen sei bestätigt worden.
Dennoch zeigte sich Grossi sehr besorgt. IAEA-Experten hätten verbreitete Schäden auf dem Gelände festgestellt. „Dies ist ein großer Anlass zur Sorge, da es die schiere Intensität der Angriffe auf eines der größten Atomkraftwerke der Welt deutlich macht“, so Grossi.
Update vom 21. November, 18.48 Uhr: Der russische Atomkonzern Rosatom warnt vor einer nuklearen Havarie im Atomkraftwerk Saporischschja. Er habe die ganze Nacht im Zusammenhang mit Beschuss auf die Anlage mit der Internationalen Atomenergiebehörde IAEA in Kontakt gestanden, sagte Rosatom-Generaldirektor Alexej Lichatschow nach Angaben der Agentur Interfax im südrussischen Sotschi bei einem internationalen Atomenergie-Forum.
Das größte Atomkraftwerk Europas war am Samstag und Sonntag von Dutzenden Granateinschlägen erschüttert worden. Auch in den Monaten davor war die Anlage mehrfach unter Beschuss geraten. Die Ukraine und Russland geben sich gegenseitig die Schuld dafür. Nach Angaben Moskaus hat die IAEA am Montag die Anlage auf Schäden untersucht. Dazu lag zunächst noch kein IAEA-Statement vor.
Update vom 21. November, 18.33 Uhr: Hunderte Krankenhäuser und Gesundheitseinrichtungen in der Ukraine sind nach Ansicht der WHO nicht mehr voll funktionsfähig. Es mangele an Brennstoff, Wasser und Strom, sagte WHO-Regionaldirektor Hans Kluge am Montag in der ukrainischen Hauptstadt Kiew. Mehr als 700 Angriffe auf die Gesundheitsinfrastruktur seien seit Beginn des russischen Angriffskriegs registriert worden. „Das ist die größte Attacke auf die Gesundheitsversorgung auf europäischem Boden seit dem Zweiten Weltkrieg“, unterstrich Kluge vor allem im Hinblick auf die russischen Angriffe auf das ukrainische Energiesystem. „Das ist ein Verstoß gegen das humanitäre Völkerrecht und die Kriegsregeln“,
Den Ukrainerinnen und Ukrainern stehe ein „lebensbedrohlicher Winter“ bevor, sagte Kluge weiter. Hunderttausende Häuser und Wohnungen, Schulen und Krankenhäuser seien ohne Heizung. Zehn Millionen Menschen seien ohne Strom. Das stelle mit Blick auf den kommenden Winter und Temperaturen bis zu minus 20 Grad Celsius ein dramatisches Gesundheitsrisiko dar. „Kaltes Wetter kann tödlich sein“, sagte Kluge. Nicht nur drohten Atemwegsinfektionen wie Covid-19, gegen die große Teile der Bevölkerung nicht ausreichend immun seien.
Gesundheitsgefahr drohe auch dadurch, dass „verzweifelte Familien versuchen, sich warm zu halten“ und auf alternative Heizmethoden mit Kohle oder Holz oder die Verwendung von Generatoren zurückgriffen. „Dies birgt gesundheitliche Risiken durch giftige Substanzen, die für Kinder, ältere Menschen und Menschen mit Atemwegs- und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schädlich sind, sowie Verbrennungen und Verletzungen durch Unfälle“, erklärte der WHO-Regionaldirektor.
Sein Kollege Jarno Habicht berichtete, dass WHO-Mitarbeiter Zugang zu der kürzlich befreiten südukrainischen Großstadt Cherson erhalten hätten. So seien Medikamente, medizinische Ausrüstungen und Generatoren in das Gebiet geliefert worden. Insgesamt seien seit dem Beginn der russischen Invasion im Februar mehr als 2000 Tonnen an medizinischen Gütern in die Ukraine geliefert worden. Stand November seien darunter 400 Generatoren gewesen, um die weite Landesteile betreffenden Stromausfälle in Krankenhäusern zu überbrücken.
Update vom 21. November, 15.05 Uhr: Aus Cherson berichten ukrainische Ermittler nun von neu entdeckten Folterstätten. Sie hätten in der Stadt insgesamt vier Gebäude ausgemacht, in denen die „russischen Besatzer Menschen illegal festgehalten und brutal gefoltert“ hätten, teilte die Generalstaatsanwaltschaft in Kiew mit. Unabhängig prüfen ließen sich die Angaben zunächst nicht.
Demnach richteten die russischen Streitkräfte während Besatzung in vorherigen Haftzentren und Polizeiwachen „Pseudo-Strafverfolgungsbehörden“ ein. Dort seien „Teile von Gummiknüppeln, ein Holzschläger, ein Gerät zum Erzeugen von Stromschlägen sowie eine Glühlampe und Kugeln sichergestellt“ worden. Die russischen Behörden hätten zudem Unterlagen zur Verwaltung dieser Gefangenenlager zurückgelassen.
Die Ermittlungen zu weiteren Folterstätten und unrechtmäßigen Inhaftierungen würden fortgesetzt, hieß es weiter. Ziel sei es auch, „alle Opfer zu identifizieren“. Eine Reaktion Moskaus auf die Vorwürfe blieb bisher aus.
Update vom 21. November, 12.51 Uhr: In Litauen scheinen Überlegungen, eigene Panzerhaubitzen 2000 und Luftverteidigungsysteme an die Ukraine zu liefern, im Sande verlaufen zu sein. Das berichtet der litauische öffentlich-rechtliche Sender LRT unter Berufung auf Verteidigungsminister Arvydas Anušauskas. Stattdessen soll Munition für die Haubitze zur Verfügung gestellt werden.
Anušauskas nannte keine Gründe für die Entscheidung, die nach der Sitzung des Staatsverteidigungsrates (VGT) fiel. „Das Treffen fand in einem geschlossenen Format statt, daher werde ich nicht auf Einzelheiten eingehen“, so der Minister. Das Nachbarland Lettland hat der Ukraine sechs Panzerhaubitzen 2000 übergeben.
Laut Anušauskas beläuft sich die Hilfe von Vilnius für Kiew derzeit auf über 640 Millionen Euro. Davon entfielen geschätzt 232 Millionen Euro auf militärische Hilfe.
Erstmeldung vom 21. November: Kiew/Moskau/London - Die russischen Streitkräfte sollen sich nach ihrem Rückzug über den Fluss Dnjepr in der Südukraine auf die Verteidigung der Stadt Swatowe im Osten des Landes konzentrieren. Das geht aus der täglichen Einschätzung des britischen Verteidigungsministeriums zum Ukraine-Krieg hervor.
Ursache ist demnach, dass die Truppen von Wladimir Putin dort am verletzlichsten sind. „Als bedeutendes Bevölkerungszentrum im Gebiet Luhansk wird die russische Führung höchstwahrscheinlich die Beibehaltung der Kontrolle über Swatowe als politische Priorität ansehen“, hieß es demnach aus London.
In der Gegend habe es in den vergangenen Wochen heftige Artilleriegefechte gegeben. Russland baue dort wie an anderen Stellen der Front seine Verteidigungspositionen aus, die allerdings vornehmlich mitschlecht ausgebildeten Reservisten besetzt seien.
„Die Kommandeure kämpfen jedoch wahrscheinlich mit der militärischen Realität, eine glaubwürdige Verteidigung aufrechtzuerhalten, während sie gleichzeitig versuchen, offensive Operationen weiter südlich in Donezk mit Ressourcen auszustatten“, teilte das Ministerium weiter mit. „Sowohl die Verteidigungs- als auch die Offensivfähigkeit der russischen Truppen wird weiterhin durch einen ernsthaften Mangel an Munition und qualifiziertem Personal behindert.“
Die Ukraine leidet indes weiterhin schwer unter dem Beschuss durch russische Raketen und Drohnen. Seit Kriegsbeginn hat Russland die Ukraine nach deren Angaben mit knapp 4700 Raketen beschossen und große Teile des Landes in Trümmer gelegt. „Hunderte unserer Städte sind praktisch niedergebrannt, tausende Menschen wurden getötet, Hunderttausende wurden nach Russland deportiert“, sagte Präsident Wolodymyr Selenskyj am Sonntag (20. November).
Sowohl der Staatschef als auch der Generalstab in Kiew berichteten zudem, dass es weiterhin schwere Kämpfe vor allem im Donbass-Gebiet im Osten des Landes gebe. Obwohl es wegen der Verschlechterung des Wetters weniger Angriffe gibt, bleibt die Zahl der russischen Artillerieüberfälle leider hoch.“ Auch der Generalstab in Kiew hatte zuvor von fortgesetzten Zusammenstößen an verschiedenen Frontabschnitten im Osten des Landes berichtet. Bei Luhansk seien mehrere russische Vorstöße abgewehrt worden, hieß es. Die Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.