Update vom 30. Oktober, 22.58 Uhr: Zwischen den beiden Präsidentschaftskandidaten zeichnet sich ein Kopf-an-Kopf-Rennen ab. Nach Auszählung von gut 80 Prozent der Wahllokale kam Lula auf 50,3 Prozent der Stimmen und Bolsonaro auf 49,7 Prozent.
Update vom 30. Oktober, 21.36 Uhr: Bei den Präsidentschaftswahlen in Brasilien sorgten von der Verkehrspolizei eingerichtete Kontrollpunkte für Unruhen. Diese sollen die Anreise zu Wahllokalen erschwert haben. Busse mit Wählern und Wählerinnen kamen durch Kontrollen an Straßensperren verzögert an den Wahllokalen an, wie der Vorsitzende des obersten Wahlgerichts, Alexandre de Moraes erklärte. Fahrzeuge wurden an den Sperren auf mögliche Verstöße gegen die Verkehrsvorschriften überprüft worden.
Die Kontrollen fanden vor allem im Nordosten des Landes statt, wo der linksgerichtete Oppositionskandidat Lula da Silva mit besonders starker Unterstützung rechen konnte. Führende Vertreter von Lulas Arbeiterpartei (PT) verbreiteten Videos in den Onlinenetzwerken von Bussen mit Wählerinnen und Wählern, die an den Kontrollpunkten stillstanden. „Was im Nordosten passiert, ist inakzeptabel“, erklärte Ex-Präsident Lula.
Der oberste Wahlaufseher Moraes versicherte später, dass keiner der Busse von der Polizei angewiesen worden, umzudrehen und zum Herkunftsort zurückzufahren. Das Wahlrecht sei nicht verletzt worden. Moraes lehnte es deshalb auch ab, die Öffnungszeiten der Wahllokale zu verlängern. Die Zeitung „Folha de São Paulo“ berichtete, am Sonntagmittag habe es im Land mehr als 500 Straßensperren durch die Verkehrspolizei gegeben. Dies seien 70 Prozent mehr gewesen als während der ersten Runde der Präsidentschaftswahl am 2. Oktober.
Update vom 30. Oktober, 21.00 Uhr: In Brasilien ist die Präsidenten-Stichwahl zu Ende gegangen. Die Wahllokale schlossen am Sonntag um 21.00 Uhr deutscher Zeit. Mit Ergebnissen wird erst später gerechnet.
Update vom 30. Oktober, 14.39 Uhr: Brasiliens amtierender Staatschef Jair Bolsonaro hat bei der Stichwahl ums Präsidentenamt an diesem Sonntag die Erwartung auf einen abermaligen Wahlsieg geäußert. „Die Erwartung ist ein Sieg - zum Wohle Brasiliens“, sagte der rechte Politiker in Rio de Janeiro, wo er in einem gelben Brasilien-T-Shirt seine Stimme abgab. Dazu machte er das Victory-Zeichen. „So Gott will, werden wir heute siegreich sein. Oder besser gesagt: Brasilien wird heute siegreich sein.“
Die erste Wahlrunde vor vier Wochen hatte der linke Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva gewonnen - allerdings mit geringerem Vorsprung vor Bolsonaro, als nach den Umfragen erwartet. Jetzt gilt das Rennen als offen. Der Wahlkampf war über Monate hinweg von schweren gegenseitigen Beschuldigungen und im Internet gestreuten Falschinformationen geprägt. Bis zuletzt kämpften beide Kandidaten um jede Stimme.
Update vom 30. Oktober, 11.18 Uhr: Erektionsprobleme und Exorzismus als Themen im Kampf um Wählerstimmen: Beim letzten Fernsehduell vor der Stichwahl um das Präsidentenamt in Brasilien wollte Amtsinhaber Jair Bolsonaro ganz private Details von seinem Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva wissen. „Benutzt Du Viagra?“, fragte Bolsonaro provokativ am Freitag.
Lula antwortete darauf nicht. Der 77-jährige Herausforderer hatte Bolsonaro unmittelbar zuvor aufgefordert, den Kauf von 35.000 Viagra-Pillen für die Armee zu erklären. Viagra wird benutzt, um Erektionsstörungen zu behandeln und, wie Bolsonaro auf Lulas Frage hin betonte, bei Prostataproblemen eingesetzt.
Bolsonaro war es auch, der während der Fernsehdebatte Exorzismus ins Spiel brachte. „Muss ich Dich exorzieren, damit Du aufhörst zu lügen?“, frage Bolsonaro seinen Gegner. Beide Bewerber um das Präsidentenamt in Brasilien beschuldigten sich in dem rund zweistündigen Duell immer wieder gegenseitig der Lüge - der Wahlkampf glich zuletzt zunehmend einer Schlammschlacht.
Jair Bolsonaro polarisiert mit seinem demagogischen Regierungsstil und seiner Rhetorik ähnlich wie sein Vorbild Donald Trump, was Brasiliens amtierendem Präsidenten den Spitznamen „Trump der Tropen“ einbrachte. Der frühere US-Präsident Trump schaltete sich bereits im September in den Wahlkampf ein und machte seine Unterstützung für den rechtsradikalen Staatschef Bolsonaro deutlich, der „für das wunderbare brasilianische Volk Großartiges geleistet“ habe, schrieb Trump damals auf seiner Onlineplattform Truth Social.
Update vom 30. Oktober, 9.45 Uhr: Am Sonntag entscheidet sich in Brasilien, wer in den kommenden vier Jahren das Land führt: der rechte Amtsinhaber Jair Bolsonaro oder sein linker Herausforderer Luiz Inácio Lula da Silva. Die Entscheidung gilt als Richtungswahl, denn die beiden Kandidaten stehen für extrem unterschiedliche Regierungsstile und Werte. Das Wahlergebnis hat allerdings auch Auswirkungen auf den Rest der Welt.
Nach Berechnungen der staatlichen Agrar-Forschungsagentur Embrapa produziert Brasilien Nahrungsmittel für 780 Millionen Menschen - das entspricht knapp einem Zehntel der Weltbevölkerung. Besonders Soja, Rindfleisch, Kaffee und Zucker kommen aus dem südamerikanischen Land. Vereinfacht gesagt ist unter Lula außerdem ein verstärkter Umweltschutz zu erwarten, wohingegen während Bolsonaros Amtszeit Abholzung und Brände im Amazonas-Regenwald deutlich zunahmen.
Auch geopolitisch könnte die Wahl den Kurs des Landes stark beeinflussen. Denn Bolsonaro hatte Brasilien auf der Weltbühne weitgehend isoliert. Durch seine Blockade beim Klimaschutz, seine eigenwillige Corona-Politik und vulgäre Ausfälle stieß er viele vor den Kopf. Zudem reiste er kaum ins Ausland - auch wenn er kurz vor Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine in Moskau auftauchte. Dabei war Brasilien vor wenigen Jahren international noch eine aufstrebende Kraft.
Unter Lula galt es als Meinungsführer in der Region, gab Lateinamerika im Schwellenländerclub Brics und den G20 eine Stimme. Zudem war es wichtiger Truppensteller für UN-Friedensmissionen. Truppenstärke und Budgets wurden zuletzt aber immer mehr gekürzt. Vergangenes Jahr war Brasilien erstmals seit 2004 an keiner UN-Mission mehr beteiligt.
Erstmeldung vom 29. Oktober: Brasilia – Lula oder Bolsonaro – wer regiert künftig Brasilien? Am Sonntag (30. Oktober) entscheiden das die 156 Millionen Wahlberechtigten des größten Landes Lateinamerikas in einer Stichwahl.
Die Stichwahl ist nötig, weil im ersten Wahlgang am 2. Oktober keiner der beiden Kandidaten über 50 Prozent der Stimmen erreicht hat. Herausforderer und Ex-Präsident Luiz Inácio Lula da Silva kam auf 48 Prozent der Stimmen, der amtierende Präsident Jair Bolsonaro erreichte 43 Prozent.
In aktuellen Umfragen zur Stichwahl am Sonntag liegt der linksgerichtete Lula knapp vor Bolsonaro. Vor dem ersten Wahlgang hatten die Wahlforscher allerdings mit ihren Umfragen deutlich daneben gelegen und einen viel größeren Vorsprung Lulas vorausgesagt – womöglich, weil sich viele Brasilianer nicht zum rechtsextremen Bolsonaro bekennen wollen.
Das politische Klima in Brasilien ist extrem polarisiert, der Wahlkampf von Schmutzkampagnen und Aggressivität geprägt. Bereits mehrfach kam es in den vergangenen Monaten zu politisch motivierten Gewaltakten. In den sozialen Medien werden extensiv Falschmeldungen verbreiten, schon mehrfach musste der Oberste Gerichtshof des Landes eingreifen.
Der aktuelle Präsident Jair Bolsonaro (67) regiert Brasilien seit 2018. Er gilt als Rassist ohne Rücksicht auf Grenzen politischer Gepflogenheiten, der die Corona-Pandemie verharmlost und eine massive Abholzung des Regenwalds zu verantworten hat. Trotzdem kann der Ex-Militär auf breite Unterstützung zählen – vor allem vonseiten der Landwirte, der Evangelikalen und der Waffenlobby.
Der Kandidat der linken Arbeiterpartei, Lula da Silva, war bereits von 2003 bis 2011 Präsident Brasiliens. 2018 wurde er in einem international umstrittenen Prozess wegen Korruption und Geldwäsche zu einer langen Haftstrafe verurteilt und saß knapp zwei Jahre im Gefängnis. Im vergangenen Jahr hob ein Richter am Obersten Gerichtshof das Urteil auf – allerdings nur aus formalen Gründen. Aber auch gegen Bolsonaro gibt es Korruptionsvorwürfe.
Für Deutschland ist nicht unerheblich, wer am Sonntag das Rennen macht: Der Wahlausgang wird Fragen des Klimaschutzes und neuer Energiequellen entscheidend beeinflussen. (smu mit Material von dpa und AFP)