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Lauterbach will noch bremsen: FDP stürmt Corona-Regel-Aus entgegen – Union fordert Abschaffungs-Gipfel

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Von: Florian Naumann, Klaus-Maria Mehr

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Lauterbach und Buschmann
Nicht immer einer Meinung: Karl Lauterbach (l.) und Marco Buschmann. © Wolfgang Kumm/dpa/picture alliance

Marco Buschmann will alle noch bestehenden Corona-Schutzmaßnahmen beenden. Karl Lauterbach widerspricht schnell – er sieht Christian Drosten missverstanden.

Update vom 27. Dezember, 14.30 Uhr: Trotz eines provisorischen Nein von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD): Die FDP drängt weiter auf ein schnelles Ende aller Corona-Maßnahmen in Deutschland. Die Union fordert einen Corona-Gipfel zum Thema.

Buschmann betonte am Nachmittag in einem Tweet, die Bundesregierung könne „bundesweit einheitliche Corona-Maßnahmen durch Rechtsverordnung auch vor dem 7.4.23 beenden“. Der Justizminister ließ keine Zweifel daran, dass es von dieser Option gerne Gebrauch machen würde. „Das war für eine Entwicklung vorgesehen, die günstiger ist, als es die Prognosen im Herbst waren. Das ist nun der Fall.“

Nach einer Erklärung von Virologen-Promi Christian Drosten sei „jeglicher Grundrechtseinschränkung zur Eindämmung des Coronavirus die Grundlage entzogen“, sagte auch FDP-Vize Wolfgang Kubicki dem Tagesspiegel. Weitere Mediziner wie, Ärztekammer-Präsident Klaus Reinhardt, plädierten unterdessen zwar für „Umsicht“, aber nicht zwingend für politisch gesetzte Corona-Regeln. Reinhard stellte im Deutschlandfunk infrage, „inwieweit wir noch rechtliche Maßnahmen im Sinne des Infektionsschutzgesetzes brauchen“.

Unions-Gesundheitspolitiker Tino Sorge (CDU) sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: „Europa geht zur Normalität über, nur die Ampel-Regierung hat nicht den Mut, die meisten Corona-Maßnahmen endlich zu beenden.“ Er forderte dazu ein Treffen von Kanzler Olaf Scholz (SPD) mit den Ministerpräsidenten der Länder Anfang Januar.  „Einzig im Gesundheitswesen und in der Pflege, also in vulnerablen Bereichen und Gruppen, bleiben besondere Schutzmaßnahmen angebracht“, sagte Sorge. Der Grüne Janosch Dahmen warnte auf ntv hingegen davor, „auf den letzten Metern das Spiel zu vergeben“.

Lauterbach widerspricht Buschmann: Aus für alle Corona-Maßnahmen „wäre leichtsinnig“

Update vom 27. Dezember, 13.18 Uhr: Gesundheitsminister Karl Lauterbach lehnt eine schnelle Aufhebung der noch bestehenden Corona-Maßnahmen ab. „Ein sofortiges Beenden aller Maßnahmen wäre leichtsinnig und wird auch von Christian Drosten nicht gefordert“, sagte der SPD-Politiker am Dienstag der dpa. Drosten, der Leiter der Virologie an der Berliner Universitätsklinik Charité, hatte dem Tagesspiegel gesagt: „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-Cov-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Pandemie vorbei“. Als Reaktion hatte Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) gefordert, „die letzten Corona-Schutzmaßnahmen“ zu beenden.

„Christian Drosten hat Recht, dass wir in den endemischen Zustand der Coronawellen übergegangen sind, die Wellen betreffen nur Teile der Bevölkerung“, sagte Lauterbach. Trotzdem gelte es, jetzt noch die besonders gefährdeten Menschen zu schützen, etwa durch Masken in Pflegeeinrichtungen oder durch die Isolation am Arbeitsplatz. „Die Kliniken sind voll, das Personal überlastet, die Übersterblichkeit ist hoch und der Winter ist noch nicht zu Ende.“

Christian Drosten erklärt Corona-Pandemie für beendet – und verteidigt bisherige Maßnahmen

Erstmeldung vom 27. Dezember: Berlin – Christian Drosten gilt als einer der vorsichtigsten Virologen der Corona-Pandemie. Wenn viele andere schon nach Öffnungen riefen, mahnte der Experte der ersten Stunde aus der Berliner Charité meist noch zur Vorsicht. Doch nun erklärte auch Drosten die Pandemie für beendet. „Wir erleben in diesem Winter die erste endemische Welle mit Sars-CoV-2, nach meiner Einschätzung ist damit die Corona-Pandemie vorbei“, sagte er dem Tagesspiegel. Auch die Gefahr einer neuen, gefährlicheren Variante schließt Drosten aktuell nahezu aus.

Drosten verteidigte die Corona-Maßnahmen der vergangenen Jahre als lebensrettend. „Hätte man nichts gemacht, dann wäre man in Deutschland bis zu Delta auf eine Million Tote oder mehr gekommen.“ Und Drosten erinnert auch nochmal an den für ihn entscheidenden Schritt aus der Pandemie: die flächendeckende Impfstrategie in Europa. Das unterscheide uns von China, wo sich gerade das Virus unkontrolliert ausbreitet und mutmaßlich viele Todesopfer fordert. Genaue Zahlen aus China sind bekanntermaßen schwer zu bekommen.

Buschmann greift Drosten-Aussage in Tweet auf: „Schutzmaßnahmen beenden“

Drostens Aussage zur Pandemie, das Gespräch wurde um Montagmorgen (26. Dezember) veröffentlicht, hat nun Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) aufgegriffen. Er forderte in einem Tweet, den er am Montagnachmittag absetzte, die letzten Corona-Schutzmaßnahmen zu beenden. Buschmann wörtlich:

„Christian Drosten gehörte in der Pandemie zu den vorsichtigsten Wissenschaftlern. Nun lautet sein Befund: Die Pandemie ist vorbei. Wir sind im endemischen Zustand. Als politische Konsequenz sollten wir die letzten Corona-Schutzmaßnahmen beenden.“

Kritik an Buschmann-Forderung auf Twitter – und vom Koalitionspartner

Dass ausgerechnet ein FDP-Politiker auf den „vorsichtigsten Wissenschaftler“ hört, sorgt freilich für viel Spott auf Twitter. Bekanntermaßen gehörten die Liberalen zu den lautesten Kritikern der Corona-Maßnahmen seit Beginn der Pandemie. Ein weiterer Kritikpunkt vieler ist, dass Buschmann suggeriere, Drosten wäre auch für die sofortige Abschaffung aller Maßnahmen. Davon sagt der Virologe im Gespräch mit dem Tagesspiegel allerdings nichts.

Und auch der Koalitionspartner reagiert verhalten. Der Grünen-Gesundheitspolitiker Janosch Dahmen mahnt für den Winter noch Vorsicht an. „Zurzeit spricht vieles dafür, dass sich das Coronavirus kaum noch verändert und seine zurzeit noch starke Verbreitung mit dem Ende dieses Winters endlich deutlich zurückgehen wird“, sagt er in der Dienstagsausgabe des Tagesspiegel.

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