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Ohne Kopftuch angetreten: Iranische Klettersportlerin Rekabi meldet sich nach tagelanger Ungewissheit

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Von: Bettina Menzel, Stephanie Munk

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Irans oberster Führer unterdrückt die Proteste nach dem Tod von Mahsa Amini brutal. Doch innerhalb der Führungsriege scheint sich Widerstand dagegen zu regen. News-Ticker.

Update vom 22. Oktober, 15.28 Uhr: Die iranische Klettersportlerin Elnas Rekabi hat sich nach tagelanger Ungewissheit über ihr Schicksal nach ihrer Rückkehr nach Teheran zu Wort gemeldet. Sie bedankte sich via Instagram bei ihren Fans, insbesondere bei denen, die sie nach ihrer Rückkehr von den Asienmeisterschaften in Südkorea am Flughafen in Teheran willkommen hießen. Ihre Botschaft beendete die 33-Jährige mit den Worten „Ich, Menschen, Iran“, was in den sozialen Medien am Samstag als Unterstützung für die systemkritischen Proteste im Iran interpretiert wurde.

Iranische Klettersportlerin Rekabi
Die iranische Klettersportlerin Elnas Rekabi hatte im Finale der Asienmeisterschaft das für iranische Sportlerinnen obligatorische Kopftuch abgenommen. © -/iwsports.ir/dpa

Rekabi war im Finale in Seoul ohne Kopftuch angetreten – und anschließend plötzlich verschwunden. Nach ihrer Rückkehr in den Iran gab es Spekulationen, dass dieser unter Zwang erfolgt sei und sie unter striktem Hausarrest stehe. Rekabi wurde mit ihrem Auftritt zur Heldin der seit über einem Monat anhaltenden Proteste gegen das islamische System und den Kopftuchzwang im Iran. Nach ihrer Rückkehr entschuldigte sich die Sportlerin zwar für den „unbeabsichtigten Kopftuchfehler“. Viele Beobachter vermuteten aber, dass sie dazu vom Sportministerium gezwungen wurde. Bei dem obligatorischen Treffen mit Sportminister Hamid Sadschadi trug sie erneut kein klassisches Kopftuch, sondern nur eine Sportkappe.

Das Nationale Olympische Komitee (NOK) des Irans soll dem Internationalen Olympische Komitee (IOC) und dem Weltverband IFSC bei einem Treffen zugesichert haben, dass Rekabi „keine Konsequenzen“ zu befürchten habe. Rekabi selbst will ihre Karriere in der Nationalmannschaft weiterführen. Ob das iranische Sportministerium dies erlaubt, ist unklar.

Drei Wochen nach „Blutigem Freitag“ erneut Proteste in iranischer Stadt Sahedan

Update vom 22. Oktober, 10.29 Uhr: Drei Wochen nach der gewaltsamen Niederschlagung von Protesten in der iranischen Stadt Sahedan im Südosten des Landes haben dort am Freitag wieder Hunderte Menschen gegen die Regierung in Teheran demonstriert. In online veröffentlichten Videos waren Demonstranten vor einer Polizeistation zu sehen, die „Tod dem Diktator“ skandierten. Ein weiteres von dem US-finanzierten Radiosender Farda geteiltes Video zeigte Protestierende, die nach dem Freitagsgebet „Tod für Chamenei“ und „Einheit, Einheit“ riefen.

„Etwa 57 Randalierer“ seien festgenommen worden, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf den Polizeichef der Provinz Sistan-Balutschistan, Ahmad Taheri. „Heute Mittag, nach dem Freitagsgebet in der Makki-Moschee in Sahedan, skandierten etwa 100 bis 150 Schläger und Randalierer Parolen und bewarfen Geschäfte, Autos und Banken mit Steinen“, sagte er demnach. Die „Anstifter“ seien identifiziert worden, die Polizei ermittle. Beim sogenannten „Blutigen Freitag“ am 30. September in Sahedan waren bislang die meisten Menschen seit Beginn der Proteste im Iran ums Leben gekommen. Menschenrechtsorganisationen gehen von bis zu 96 Toten innerhalb von wenigen Stunden aus.

Unterstützung der Proteste im Iran: Großdemonstration mit zehntausenden Teilnehmern am Samstag in Berlin

Bei einer Großdemonstration durch das Berliner Regierungsviertel wollen an diesem Samstag zahlreiche Organisationen die seit Wochen anhaltenden Proteste im Iran unterstützen. Nach Angaben der Polizei sind ab 15 Uhr 50.000 Teilnehmer an der Siegessäule angemeldet. Die Journalistin und Iran-Expertin Natalie Amiri teilte am Samstag auf Twitter Bilder von Menschen, die von Stockholm, London, Brüssel, Paris und Zürich auf dem Weg zur Demonstration in Berlin waren.

Derweil ist im Iran der vermeintlich “schmutzigste Mensch der Welt“ ums Leben gekommen. Wenige Monate zuvor wurde er von Nachbarn in eine Nasszelle gebracht.

Iran setzt offenbar Kampfdrohnen im Ukraine-Krieg ein

Update vom 20. Oktober, 10.50 Uhr: Der Iran hat seine Staatsbürger zur raschen Ausreise aus der Ukraine aufgerufen. Gleichzeitig verschärfte Irans Außenministerium wegen der „militärischen Eskalation“ seine Reisewarnung für das Land, wie iranische Medien am Freitag übereinstimmend berichteten.

Nach Erkenntnissen der US-Regierung setzt Russland auch Kampfdrohnen aus dem Iran im Ukraine-Krieg ein - mit Unterstützung iranischer Kräfte vor Ort. Russland hatte die Ukraine in den vergangenen Tagen mehrfach mit den zur einmaligen Verwendung bestimmten Kampfdrohnen vom Typ Schahed 136 aus dem Iran angegriffen. Teheran bestreitet die Lieferung der Drohnen.

Iran-Demonstrationen: 15-jährige Schülerin stirbt nach Schlägen durch Sicherheitskräfte

Update vom 20. Oktober, 20.20 Uhr: Eine 15-jährige Schülerin im Iran ist nach Angaben einer iranischen Lehrergewerkschaft an den Folgen von Schlägen durch Sicherheitskräfte gestorben. Asra Panahi sei am 13. Oktober gestorben, nachdem „Beamte in Zivil“ ein Gymnasium in der nordwestlichen Stadt Ardabil „angegriffen“ hätten, heißt es in einer Stellungnahme des Koordinierungsrats der Lehrergewerkschaften.

Ardabil gilt als Zentrum der Proteste, die der Tod der jungen Kurdin Mahsa Amini Mitte September ausgelöst hatte. Nach Angaben der Lehrergewerkschaft waren die Schülerinnen in Ardabil zu einer „ideologischen Veranstaltung“ gebracht worden. Einige von ihnen skandierten dabei laut Gewerkschaft „Slogans gegen Diskriminierung und Ungleichheit“ und waren „Gewalt und Beleidigungen durch Frauen in Zivil und verschleierte Frauen ausgesetzt“.

Nach ihrer Rückkehr in die Schule seien sie erneut geschlagen worden. Asra Panahi sei danach im Krankenhaus gestorben, eine weitere Schülerin liege nach den Schlägen im Koma, erklärte die Gewerkschaft.

Es gibt aber auch andere Berichte zur Todesursache: Das staatliche Fernsehen strahlte später ein Interview mit dem Onkel des Mädchens aus, in dem er sagte, seine Nichte sei an Herzversagen gestorben. Die Website Didban Iran zitierte in einem Bericht den Parlamentsabgeordneten von Ardabil, Kasem Mussawi, mit den Worten, die 15-Jährige habe „Selbstmord begangen, indem sie Tabletten geschluckt“ habe.

Die Proteste im Iran dauern an, wie hier in der Hauptstadt Teheran am 19. Oktober.
Die Proteste im Iran dauern an, wie hier in der Hauptstadt Teheran am 19. Oktober. © IMAGO/Stringer

Risse innerhalb der iranischen Führung? Erste Politiker stellen sich Chamenei entgegen.

Teheran - Der Iran erlebt unruhige Zeiten: Seitdem die 22-jährige Studentin Mahsa Amini wegen eines fehlenden Kopftuchs offenbar von der iranischen Sittenpolizei zu Tode gefoltert wurde, reißen die Proteste gegen das Regime nicht ab. Doch der oberste Führer des Iran, Ali Chamenei, will bei der Hijab-Pflicht für iranische Frauen keinerlei Zugeständnisse machen und unterdrückt die Proteste brutal.

Allerdings scheinen sich Risse innerhalb der iranischen Führung zu zeigen. Zu diesem Schuss kommt eine Analyse des Institute for the Study of Law (ISW) und der US-Denkfabrik „Critical Threats Project“. So habe der iranische Ex-Kommandeur Hossein Alaei jetzt Sympathien für einige Forderungen der Protestierenden ausgedrückt und vorgeschlagen, die Sittenpolizei abzuschaffen, heißt es. Einige moderate und fortschrittliche iranische Politiker seien seinem Beispiel gefolgt und hätten ihrerseits Reformen vorgeschlagen, um den Demonstranten entgegenzukommen.

Irans oberster Führer Ali Chamenei bei einem Treffen mit Mitgliedern der politischen Elite des Landes.
Irans oberster Führer Ali Chamenei bei einem Treffen mit Mitgliedern der politischen Elite des Landes. © KHAMENEI.IR/AFP

Iran-Proteste: Oberster Führer mit harter Position - Widerstand innerhalb des Regimes programmiert?

Irans oberster Führer Ali Chamenei habe jedoch bisher keinerlei Bereitschaft gezeigt, Forderungen nach Lockerung der Hijab-Pflicht nachzukommen. Stattdessen habe er in seien jüngsten Reden einen sehr harten Standpunkt gegenüber den Protestierenden eingenommen. Nicht alle Mitglieder des Regimes würden dieser Linie auf Dauer folgen, sind sich die Analysten sicher.

Ex-General Alaei, der jetzt für die Abschaffung der Sittenpolizei plädierte, sei schon 2012 durch regierungskritische Stellungnahmen aufgefallen, heißt es. Damals habe er Chamenei für dessen Unterdrückung der grünen Bewegung im Iran kritisiert, sei dann aber durch einen Hausbesuch durch Militärs zum Schweigen gebracht worden.

Iran-Proteste: Regime setzt auf ausgeklügelte Techniken der Überwachung - Vorbild: China

In der Analyse heißt es außerdem, der Iran setze mittlerweile auf hochmoderne Techniken des Überwachungsstaates. Laut einem Bericht des Wall Street Journal nutzt das Regime Drohnen und Überwachungskameras, um die aktuellen Proteste zu kontrollieren sowie Daten von Lieferdiensten, um Demonstranten zu identifizieren und zu verfolgen.

Der Iran eifere hier dem Vorbild China nach. Das Regime nutze künstliche Intelligenz, Gesichtserkennung und das nationale Intranet um Dissidenten zu überwachen und die Kontrolle zu behalten. (smu)

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