„Große Sorge“ um Israel: Netanjahu stoppt Justizreform wegen „Bürgerkrieg“-Gefahr
In Israel regt sich massiver Widerstand gegen die geplante Justizreform von Ministerpräsident Benjamin Netanjahu. Der News-Ticker.
- Netanjahu reagiert auf Widerstand: Premierminister könnte Justizreform in Israel aussetzen.
- Verteidigungsminister entlassen: Netanjahu entbindet Verteidigungsminister Joav Galant von seinen Aufgaben.
Update vom 28. März, 11.15 Uhr: Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) hat sich besorgt über die geplante Justizreform in Israel gezeigt. „Ich habe mir die Argumente beider Seiten angehört und mache mir - gerade als Freund Israels - große Sorgen“, sagte Buschmann dem Nachrichtenportal Watson. Zu einer liberalen Demokratie gehöre eine unabhängige Justiz, betonte er.
„Auch eine Mehrheit kann nicht alles entscheiden - und sie kann auch irren“, sagte Buschmann. Er betonte: „Diejenigen, die berufen sind, der Mehrheit Grenzen aufzuzeigen, sind Richterinnen und Richter.“ Durch die Justizreform in Israel drohten sie in ihrer Unabhängigkeit eingeschränkt zu werden. Aktuell stehe die Demokratie weltweit unter Druck, sagte der FDP-Minister weiter. „Teilweise gibt es einen Trend zum autoritären Denken.“
Netanjahu hatte am Abend nach massiven Protesten und mehreren Krisengesprächen angekündigt, die Pläne für einige Wochen auszusetzen, um „Platz für Dialog zu schaffen“ und „einen Bürgerkrieg zu vermeiden“. Die Gegner der Reform wollen aber weiter protestieren: „Wir werden die Demonstrationen nicht einstellen, bis der Justizputsch vollständig gestoppt ist“, teilten die Organisatoren des Widerstands mit. In der Opposition herrschte Unstimmigkeit darüber, ob ein Dialog mit Netanjahus Regierung aufgenommen werden sollte.
Netanjahus Justizreform in Israel
Netanjahus Koalition will mit der Justizreform den Einfluss des Höchsten Gerichts beschneiden und die Machtposition der Regierung ausbauen. Die rechts-religiöse Koalition wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Dem Parlament soll es den Plänen nach künftig etwa möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Gerichts aufzuheben. Zudem soll die Zusammensetzung des Gremiums zur Ernennung von Richtern geändert werden. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer Staatskrise.
Israels Polizeiminister Itamar Ben-Gvir hatte mitgeteilt, er habe sich mit Netanjahu auf eine Verschiebung der Justizreform verständigt. Im Gegenzug soll eine „Nationalgarde“ unter der Führung des rechtsextremen Politikers eingerichtet werden. Was dies konkret bedeutet, war zunächst nicht klar.
Seit rund drei Monaten gehen regelmäßig Zehntausende, teils mehrere hunderttausend Menschen gegen das Vorhaben der rechts-religiösen Regierung zur Schwächung der unabhängigen Justiz auf die Straßen.
Netanjahu unter Druck: Regierungschef stoppt umkämpfte Justizreform vorerst
Update vom 27. März, 19.35 Uhr: Nach wochenlangen Massenprotesten in Israel hat Regierungschef Benjamin Netanjahu einen vorübergehenden Stopp der umstrittenen Justizreform angekündigt. „Ich habe entschieden, die zweite und dritte Lesung in dieser Sitzungsperiode auszusetzen“, sagte Netanjahu am Montag in Jerusalem. Das Gesetzesvorhaben wird damit frühestens Ende April im Parlament zur Abstimmung vorgelegt.
Update vom 27. März, 16.05 Uhr: Nun rufen auch Teile der israelischen Regierung zu Gegenprotesten auf. Sicherheitsminister Itamar Ben-Gvir von der ultrarechten Partei Otzma Jehudit rief via Twitter zu Gegendemonstrationen in Jerusalem auf. Auch Bezalel Smotrich von der rechts-religiösen Partei HaTzionut HaDatit veröffentlichte einen entsprechenden Aufruf. Die Lage in den Städten bleibt angespannt.
Update vom 27. März, 14.10 Uhr: Israels Regierungschefs Benjamin Netanjahu hat sich erstmals seit der Entlassung seines Verteidigungsministers Joav Galant öffentlich zu Wort gemeldet. Auf Twitter rief er angesichts massiver Proteste zur Einheit und gegen Gewalt auf.

„Ich rufe alle Demonstranten in Jerusalem, von rechts und von links, dazu auf, verantwortlich zu handeln und keine Gewalt anzuwenden. Wir sind Brüder“, schrieb Netanjahu am Montag (27. März). Indes hat sich die Bundesregierung besorgt wegen der eskalierenden Auseinandersetzungen um die Justizreform in Israel geäußert.
Update vom 27. März, 10.45 Uhr: Die angekündigte Ansprache des Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu verzögerte sich am Vormittag. Hintergrund soll ein Streit innerhalb der Koalition sein. Demnach kündigten mehrere Minister an, zurücktreten zu wollen, sollte Netanjahu ein Stopp der Reform ankündigen.
Proteste in Israel: Netanjahu reagiert auf Widerstand gegen Justizreform
Update vom 27. März, 09.47 Uhr: Ungeachtet massiver Proteste hat der Justizausschuss des Parlaments am Montag (27. März) den Gesetzestext, der die Zusammensetzung des Richterwahlausschusses ändern soll, gebilligt. Der Entwurf wurde zugleich zur finalen Lesung ans Plenum überwiesen, wie israelische Medien übereinstimmend berichteten. Die Sitzung wurde mehrfach von Abgeordneten der Opposition mit lauten Rufen unterbrochen. Unklar war zunächst, wann das Parlament in Jerusalem über die geplanten Regelungen abstimmen soll.

Update vom 27. März, 08.36 Uhr: Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu will sich Medienberichten zufolge am Montagmorgen zur umstrittenen Justizreform äußern. Es wird erwartet, dass Netanjahu einen Stopp der umstrittenen Pläne seiner rechts-religiösen Regierung ankündigen könnte. Wie der öffentlich-rechtliche Sender Kan unter Berufung auf Quellen aus Netanjahus Umfeld berichtet, soll die Ansprache voraussichtlich um 10.00 Uhr Ortszeit (09.00 Uhr MESZ) sein. Das Büro des Regierungschefs wollte dies zunächst nicht bestätigen.
Justizreform in Israel führt zu Protesten: Präsident Netanjahu entlässt Verteidigungsminister
Erstmeldung vom 27. März, 07.00 Uhr: Tel Aviv – Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu hat Verteidigungsminister Joav Galant nach dessen Aufruf zum Stopp einer umstrittenen Justizreform entlassen. Das teilte Netanjahus rechtskonservative Likud-Partei am Sonntagabend mit. Gegen die Reform, mit der der Einfluss des Höchsten Gerichts beschnitten werden soll, gibt es seit Monaten Proteste in Israel. Auch international sorgten die Pläne der rechtsreligiösen Regierung für Kritik. Nach der Entlassung Galants kam es zu wütenden Protesten. In Tel Aviv gingen Zehntausende spontan auf die Straße, in Jerusalem durchbrachen wütende Menschen eine Straßensperre neben Netanjahus Wohnhaus. Die Lage spitzt sich immer weiter zu.
Streit um Justizreform: Netanjahu feuert Verteidigungsminister – Lage in Israel spitzt sich zu
Die Entlassung Galants sorgte für Zorn und Unmut unter den Menschen. Die Polizei ging mit Reiterstaffeln und Wasserwerfern gegen die Protestierende vor, aus der Steine auf die Einsatzkräfte flogen. Israelische Universitäten verkündeten aus Protest gegen die Entlassung Galants und die Reformpläne einen vorläufigen Unterrichtsstopp. Mehrere Bürgermeister traten in den Hungerstreik und forderten eine sofortige Eindämmung der nationalen Krise. Der Dachverband der Gewerkschaften (Histadrut) setzte für Montag eine Pressekonferenz an, allem Anschein nach zur Ausrufung eines Generalstreiks.
Der ehemalige Ministerpräsident Naftali Bennett warnte, Israel befinde sich in der größten Gefahr seit dem Jom-Kippur-Krieg 1973. Bennett rief Netanjahu dazu auf, die Entlassung Galants zurückzunehmen, die Justizreform auszusetzen und einen Dialog mit den Gegnern aufzunehmen. Die Demonstranten ermahnte er, keine Gewalt anzuwenden und Blutvergießen zu verhindern. „Wir sind Brüder“, schrieb Bennett. Sicherheitsexperten warnen, Feinde Israels, vor allem der Iran, die libanesische Hisbollah-Miliz sowie militante Palästinenserorganisationen im Gazastreifen, könnten die Lage für Angriffe auf das durch die innenpolitische Krise geschwächte Land nutzen.
Israels Ex-Verteidigungsminister rief zum Stopp der Justizreform auf – und wird entlassen
Der bisherige Verteidigungsminister hatte am Samstagabend die eigene Regierung überraschend zum Dialog mit Kritikern der Justizreform aufgerufen. Netanjahu habe sich daraufhin von Sonntagabend bis tief in die Nacht mit mehreren Ministern seines Kabinetts über einen möglichen Stopp der Reform beraten, berichtete die Jerusalem Post. Dem Parlament soll es durch die Reform künftig möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Galant warnte, dass die nationale Sicherheit schweren Schaden nehmen könnte. Darauf antwortete Netanjahu mit der Entlassung. Seine Koalition will Kernelemente der Reform trotzdem in den nächsten Tagen umsetzen.
Galant war das ranghöchste Regierungsmitglied, das sich kritisch über die Justizreform äußerte. Die Regierung wirft dem Höchsten Gericht übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. In der Likud-Partei bekam er Unterstützung. Oppositionsführer Jair Lapid nannte dessen Aufruf einen „mutigen Schritt“, der wichtig für Israels Sicherheit sei. Auch den Dauerkonflikt mit den Palästinensern und das iranische Atomprogramm thematisierte Galant. Kampfpiloten der Reserve hatten in einem Fernsehbericht damit gedroht, sich an einem möglichen Angriff auf die iranischen Atomanlagen nicht zu beteiligen, sollte die Reform durchgesetzt werden.
Netanjahu feuert Verteidigungsminister – US-Regierung reagiert besorgt um Israels Sicherheit
Organisatoren der Massenproteste gegen die Reform in Israel teilten nach Galants Ansprache mit, die Demonstrationen würden bis zur kompletten Aufgabe der Reformpläne fortgesetzt. Sie haben eine „Woche der Störung“ mit zahlreichen Protesten angekündigt. Experten gehen davon aus, dass es bei den monatelangen Massenprotesten nicht nur um die Justizreform geht, sondern dass das liberale Lager damit auch seinem Ärger über andere tief liegende Probleme Luft macht.
Die US-Regierung hat angesichts der breiten Proteste in Israel gegen den Kurs der rechtsreligiösen Koalition zu einem Kompromiss aufgerufen. „Wir sind tief besorgt über die heutigen Entwicklungen in Israel, die die dringende Notwendigkeit eines Kompromisses noch unterstreiche“, teilte das Weiße Haus am Sonntagabend (Ortszeit) mit. „Wir fordern die israelische Führung weiterhin nachdrücklich auf, sobald wie möglich einen Kompromiss zu finden.“
Regierung in Israel will Justizreform durchsetzen: „Rote Linie überschritten“
Die Abstimmung über ein Gesetz, das Regierungspolitikern mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern verleihen soll, könnte bereits an diesem Montag (27. März) stattfinden. Noch ist unklar, wie Kritiker der Reform innerhalb der Regierung abstimmen werden. Die Koalition hat im Parlament nur eine Mehrheit von vier Mandaten. Die Oppositionspolitiker Jair Lapid und Benny Gantz forderten Netanjahus Parteikollegen in einer gemeinsamen Mitteilung auf, „sich nicht an der Zerstörung der nationalen Sicherheit zu beteiligen“. Der Regierungschef habe „eine rote Linie überschritten“.
Auch die Lage in den Palästinensergebieten bleibt sehr angespannt: Zum dritten Mal binnen eines Monats kam es am Samstagabend in der Ortschaft Huwara im Westjordanland zu einem Anschlag auf Israelis. Dabei wurden nach Militärangaben zwei Soldaten verletzt, einer davon schwer. Den Berichten zufolge schoss ein mutmaßlich palästinensischer Täter aus einem fahrenden Auto. Erst vor knapp einer Woche war ein Israeli bei einem Anschlag in dem Ort schwer verletzt worden. Vor einem Monat wurden dort zwei israelische Brüder getötet. Anschließend kam es zu schweren Ausschreitungen israelischer Siedler. (bohy/dpa)