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„Habecks Vorschlag ist der dümmste überhaupt“: Dobrindt wettert gegen AKW-Stopp

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Von: Jens Kiffmeier

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Kernkraft-Stopp trotz Gaskrise: Alexander Dobrindt (CSU) hält das für einen Fehler. Im Interview rechnet der Unionsvize mit Habeck ab – und warnt vor Blackouts.

Berlin/Hannover – Einer für alle – und alle auf einen: Die Union verschärft den Ton in der Debatte um die Laufzeiten der Atomkraftwerke in Deutschland. Angesichts der Gaskrise und drohenden Blackouts wirft Unionsfraktionsvize Alexander Dobrindt der Ampel-Koalition massives Versagen vor. In der Frage nach der Kernkraft erlebe man leider eine „irrlichternde“ Regierung, sagt der CSU-Landesgruppenchef im Interview mit Merkur.de von IPPEN.MEDIA. Vor allem Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sei offensichtlich mit seinem Amt überfordert.

Verlängerung der AKW-Laufzeiten: Union wirft Wirtschaftsminister Robert Habeck schwere Fehler beim Stopp der Kernkraft vor

Trotz der Energiekrise in Deutschland will Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) weitgehend an dem Atomausstieg festhalten. Nur zwei der drei Meiler, die noch bis zum Jahresende am Netz sind, sollen bis April 2023 in einer Notreserve gehalten werden. Dann ist Schluss. In der Union sieht man in diesem Vorgehen einen schweren Fehler.

Erneuerbare Energien und Atomkraft: In der Gaskrise muss Deutschland laut Alexander Dobrindt (CSU) auf beides setzen.
Erneuerbare Energien und Atomkraft: In der Gaskrise muss Deutschland laut Alexander Dobrindt (CSU) auf beides setzen. © Michael Kappeler/Armin Weigel/dpa/Montage

Debatte um Kernkraft auf CDU-Parteitag: Alexander Dobrindt steht im Exklusiv-Interview Rede und Antwort

Auf dem CDU-Parteitag begruben die Parteichefs Friedrich Merz (CDU) und Markus Söder (CSU) das Kriegsbeil der Union und ließen dabei keine Gelegenheit aus, sich auf den Wirtschaftsminister einzuschießen. Zeit für ein Gespräch mit dem CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt über den Sinn der Atomkraft, Bayerns eigene Versäumnisse beim Windkraftausbau und ein mögliches Comeback der Partei nach der verkorksten Bundestagswahl:

Frauenquote und soziales Jahr – das waren die Aufregerthemen des CDU-Parteitages. Waren das die richtigen Akzente in der aktuellen Krisen-Lage, in der die Union der Regierung großes Versagen vorwirft?

Beides muss möglich sein, Krisen bewältigen und die Partei weiterentwickeln. Am Parteitag ist das gut zusammen gelungen.

Wo steht die Union ein Jahr nach der verpatzten Bundestagswahl?

Die Union steht geschlossen und stark wie lange nicht. Die Schmerzen aus der verlorenen Bundestagswahl sind überwunden. Wir sind die Treiber der Regierung in Berlin, setzen wichtige Akzente und arbeiten daran, dass unsere Zeit in der Opposition möglichst kurz ist. Deshalb haben wir nicht nur die Niedersachsen-Wahl und die Bayern-Wahl im kommenden Jahr im Blick, sondern auch die nächste Bundestagswahl.

Beim Thema Energie setzt die Union auf einen Strompreisdeckel und eine 1.000-Euro-Energiepauschale – überholen CDU und CSU die Ampel jetzt links?

Im Bereich der Energie gibt es gerade keine freie Marktwirtschaft, sondern eine kriegsbedingte Marktwirtschaft. Durch den Krieg ist der Gasmarkt total verzerrt, das hat dramatische Folgen auch für den Strompreis. Wir müssen diese Preissteigerungen dringend dämpfen. Deshalb schlagen wir vor, das Gas aus der Strompreis-Bildung herauszunehmen. Das würde eine erhebliche Preisreduzierung bedeuten. Um Familien und Verbraucher sichtbar zu entlasten, schlagen wir einen Energieentlastungsbetrag von 3.000 Euro und einen Zuschlag in Höhe von 1.000 Euro pro Kind für die Jahre 2022 und 2023 vor, beziehungsweise Direktzahlungen, wo Steuerentlastungen nicht greifen.

Ausstieg vom Atomausstieg: Dobrindt und Union pochen wegen Gaskrise auf Verlängerung der Laufzeiten

Der Union fällt ihrerseits vor allem ein rückwärtsgewandter Vorschlag ein: Ausstieg vom Atomausstieg. Machen Sie das, um die Grünen zu ärgern und im Wahlkampf zur Niedersachsen-Wahl 2022 zu provozieren?

Wir erleben eine irrlichternde Bundesregierung mit einem überforderten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck. Seine Einschätzung, dass wir ein Gas-, aber kein Stromproblem haben, ist ein massiver Fehler. Der Stopp der Kernkraft ist in der aktuellen Lage eine ideologische Granaten-Fehlentscheidung. Und in dieser Phase ist der Kanzler zaudernd und nicht in der Lage, seinem Minister den Stecker zu ziehen. Eine Auseinandersetzung mit der Ampel ist da unvermeidbar.

Am Ende geht es aber lediglich um fünf Prozent des gesamten Strombedarfs, den die drei verbleibenden Meiler noch produzieren können. Warum wird die Debatte von CDU und CSU so emotional aufgebauscht?

Bei der Vorstellung des Stresstests haben die Netzbetreiber, die neben Bundesminister Habeck saßen, deutlich gemacht, dass die Netzstabilität in Deutschland gefährdet ist, dass die Kernkraftwerke einen Beitrag zur Stabilität leisten und, dass man sich durch das Abschalten ausschließlich darauf verlässt, dass die Netzstabilität durch Importe aus dem Ausland ermöglicht werden kann. Aber es ist nicht garantiert, dass die nötige Strommenge dann in ausreichender Zahl von unseren Nachbarländern überhaupt zur Verfügung steht. Das heißt: Gegen die Empfehlung der Experten riskiert Robert Habeck einen Blackout in Deutschland. Mitten im Winter. Das ist schlicht verantwortungslos.

Wir erleben eine irrlichternde Bundesregierung mit einem überforderten Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck.

Alexander Dobrindt (CSU) zum Atomstopp der Ampel

Zwei AKW in der Notreserve: „Habecks Vorschlag ist der dümmste überhaupt“, sagt Dobrindt

Die Ampel hält immerhin zwei der drei Akws über den Winter in Reserve, was der Union nicht reicht. Wie lange wollen sie auf die Kernenergie setzen?

Habecks Vorschlag ist der dümmste überhaupt. Er will Kernkraftwerke gegen die technische Empfehlung der Betreiber in Reserve halten. Das heißt, er will den Strom nicht produzieren, der möglich wäre, aber er will den Betrieb aufrechterhalten. Für Habeck, der behauptet, die Kernkraft sei die größte Hochrisikotechnologie, soll das die Lösung sein? Mal ganz abgesehen davon, dass er in Deutschland Kernenergie für moralisch verwerflich abstempelt und gleichzeitig Franzosen, Tschechen und Ukrainer bittet, uns Atomstrom zu verkaufen: Habeck sollte sagen, wie lange er Atomstrom aus dem Ausland kaufen will.

Die Union zeigt gerne mit dem Finger auf die Ampel. Merz nannte die Regierung die „schlechteste aller Zeiten“. Ist das nicht ein bisschen zu billig nach 16 Jahren in Regierungsverantwortung?

Der ständige Hinweis auf 16 Jahre Angela Merkel ist billig und ein hilfloser Versuch der Ampel, von der eigenen Verantwortung abzulenken. Die Entscheidung der Vergangenheit, auf Energie aus Russland zu setzen, hatte das gemeinsame Ziel, den Frieden in Europa durch Vernetzung und Handel zu sichern. Es gab die Idee in Ost und West, durch die Energiezusammenarbeit den Wohlstand und die Wirtschaft auf beiden Seiten zu entwickeln. Putin hat nicht nur den Frieden in Europa zerstört, er hat auch die Friedensdividende zerstört.

Also waren die früheren Entscheidungen ein Fehler?

Das heißt nicht, dass die Entscheidungen in der Vergangenheit einfach falsch waren – sie waren auf ein friedliches Europa ausgerichtet. Dass die SPD diesen Ansatz gerne zu erwähnen vergisst, finde ich als Manöver zu durchsichtig. Das rechtfertigt nicht den zögerlichen Bau von LNG-Terminals oder den Verkauf von Gasspeichern an Gazprom. Das sind natürlich Fehlentscheidungen. Deswegen werbe ich auch dafür, die Gasspeicher wieder dauerhaft in staatliche Hand zurückzuholen und sie nicht dem Markt zu überlassen.

Erneuerbare Energien gegen Kernkraft: CSU sieht keine Versäumnisse in Bayern wegen Ausbau der Windkraft

Der Fraktionschef und sein Vize: Friedrich Merz (vorne) mit Alexander Dobrindt.
Der Fraktionschef und sein Vize: Friedrich Merz (vorne) mit Alexander Dobrindt. © Kay Nietfeld/dpa

Mit einem konsequenten Ausbau der Erneuerbaren hätte Deutschland heute nicht so ein großes Problem. Und der Süden gilt auch nicht gerade als Vorreiter im Windkraftausbau. Oder täuscht der Eindruck?

Bayern ist das Land, das den höchsten Ausbau an erneuerbaren Energien hat. Bayern produziert den meisten Strom aus Fotovoltaik und Biomasse und ist an der Spitze bei der Wasserkraft. Bei der Windkraft ist die Versorgung in Baden-Württemberg nur auf einem Niveau von Zweidritteln gegenüber Bayern. Es ist also eine süddeutsche Situation, keine bayerische. Wirtschaftlich sind Windräder im Norden eindeutig lukrativer. Anteile an Nord- oder Ostsee hat Bayern noch nicht, sodass der Offshore-Windausbau naturgemäß eingeschränkt ist. Und ein Blick auf Google Earth reicht aus, um zu erkennen: Es gibt keine Stromleitungen, die an der bayerischen Grenze enden. Die Leitungen fehlen schon im Norden, um Offshore-Windenergie in den Süden zu bringen.

Wäre in der aktuellen Krisensituation nicht eher ein Zusammenstehen von Regierung und Opposition angesagt?

Dazu müsste die Ampel erstmal eine Bereitschaft haben. Außerdem sind CDU und CSU nicht die Claqueure der Bundesregierung, sondern wir sind ihre Kontrolleure. Der Ampel fehlt eindeutig der Mut zur Entscheidung. Das erhöht das Risiko eines kalten Winters in den Wohnungen und eines heißen Winters auf der Straße. Oberstes Ziel einer Regierung in Deutschland sollte es sein, die Energieversorgung und die Energiepreise in den Griff zu bekommen. Aber die Ampel weigert sich, diese Aufgabe wahrzunehmen. Ganze Branchen können die hohen Energiepreise nicht mehr lange stemmen – und der Wirtschaftsminister fabuliert darüber, dass es keine Insolvenzen gebe, sondern die Betriebe nur aufhörten, zu produzieren. Das fehlt es offensichtlich erheblich an Problembewusstsein.

Womit er laut Ökonomen rein nach der Lehre auch recht hat.

Mit Verlaub: Das ist den Menschen doch „scheißegal“, wie Habeck es nennt, wenn sie ihre Arbeit verlieren. Aber es ist ihnen nicht egal, dass diese Ampelregierung sich nicht um wirksame Gegenmaßnahmen bemüht hat.

Mit Verlaub: Das ist den Menschen doch „scheißegal“, wie Habeck es nennt, wenn sie ihre Arbeit verlieren.

Alexander Dobrindt (CSU) zur Insolvenz-Debatte

Gaskrise in Deutschland: Alexander Dobrindt (CSU) warnt vor Blackouts und Wutwinter in Deutschland

Nehmen wir an, es kommt tatsächlich zu Blackouts und Massenprotesten auf der Straße. Werden die Sanktionen dann fallen?

Wir stehen zu den Sanktionen für Russland. Das ist die notwendige Antwort auf Putins völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Den Erpressungsversuchen von Putin darf man nicht nachgeben. Deswegen bleibt es dabei: Wir müssen die Ukraine mit Waffen unterstützen und Russland mit Sanktionen belegen.

Interview: Jens Kiffmeier

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