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Anzeichen für Offensive auf Kiew? Russischer Blogger traut es Putins Armee nicht zu

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Von: Patrick Mayer

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Kurz vor Weihnachten: Gemeinsame Militär-Übungen russischer und belarussischer Soldaten.
Kurz vor Weihnachten: Gemeinsame Militär-Übungen russischer und belarussischer Soldaten. © IMAGO / ITAR-TASS

US-amerikanische Analysten sehen Anzeichen für eine möglicherweise erneute russische Offensive aus Belarus auf die ukrainische Hauptstadt Kiew. Ein russischer Militärblogger zweifelt aber wohl daran.

München/Kiew – Welche Rolle hat Belarus mittelfristig im russischen Angriffskrieg auf die Ukraine? Während der belarussische Machthaber Alexander Lukaschenko eine Kampfbeteiligung seiner Armee verneint, erhöht der russische Präsident Wladimir Putin offenbar den Druck auf den Partner in Minsk.

Ukraine-Krieg: Russische Offensive aus Belarus in Richtung Kiew?

Am 26. und 27. Dezember treffen sich beide zu einem informellen Gipfel der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS). Sie sprechen damit zum dritten Mal binnen eines Monats von Angesicht zu Angesicht miteinander. Während Experten und Beobachter uneins sind, was Putin mit Belarus vorhat, und wozu Lukaschenko bereit ist, beobachten US-amerikanische Analysten offenbar ungewöhnlich Truppenbewegungen an der Grenze zur Ukraine.

Anzeichen für einen neuerlichen Angriff über die Nordukraine in Richtung Kiew? Schon Ende Februar und Anfang März sollen russische Truppen von belarussischem Territorium aus kommend auf die ukrainische Hauptstadt vorgerückt sein. Ehe sie an der nördlichen Stadtgrenze gestoppt wurden, wohl unter hohen Verlusten, wie nun in Bachmut im Donbass.

Im Video: Kompakt – Die wichtigsten News zum Russland-Ukraine-Krieg

„Die derzeitig verfügbaren Anzeichen sind ambivalent (widersprüchlich)“, heißt es in dem täglichen Bericht des Insitute for the Study of War (ISW) vom 23. Dezember. Einige der vorliegenden Hinweise würden laut der US-amerikanischen Denkfabrik zur Vorbereitung einer neuen Offensive aus Belarus passen. Darunter sei angeblich ein neu eingerichtetes Feldlazaretts in Grenznähe. „Feldhospitäler sind nicht notwendig für Übungen und können ein Hinweis auf die Vorbereitung von Kampfhandlungen sein“, schreibt das ISW mit.

Ukraine-Krieg: Werden ukrainische Truppen im Norden für eine Offensive im Osten gebunden?

Das ISW schließt auch das Szenario nicht aus, dass durch angebliche Vorbereitungen ukrainische Truppen im Norden gebunden werden könnten, um Kiew zu schützen, was Russland wiederum für eine Offensive im Gebiet Luhansk im Osten nutzen könnte. Laut ISW wähnt angeblich ein bekannter russischer Militärblogger Putins Soldaten gar nicht in der Lage, einen Angriff über den Norden zu starten.

Unsere Leute wollen nicht gegen die Ukrainer kämpfen. Sie sehen gar keinen Grund in diesem Krieg und wollen nicht für Putin sterben.

Pawel Latuschka, belarussischer Oppositionspolitiker

„Der frühere russische Militärbefehlshaber Igor Girkin (...) reagierte am 23. Dezember auf die laufenden Diskussionen im russischen Informationsraum über die Fähigkeit Russlands, einen Angriff auf die Nordwestukraine von Weißrussland aus zu beginnen“, schreibt das ISW. Girkin kann sich demnach eine Ablenkungsoperation vorstellen, „um ukrainische Streitkräfte aus anderen Teilen des Kriegsschauplatzes abzuziehen. Girkin argumentierte, dass das russische Militär eine Offensivoperation zur Eroberung von Territorium nicht effektiv durchführen könne, aber dass eine Ablenkungsoperation zur Unterstützung einer russischen Offensive anderswo in der Ukraine militärisch sinnvoll sei“, heißt es in dem Bericht.

Russische Armee: Gar nicht in der Lage für eine Offensive in Richtung Kiew?

Das ISW erklärt weiter, dass der russische Telegram-Sender Rybar seit 20. Oktober Gerüchte über eine „bevorstehende“ russische Offensive auf Lemberg, Wolhynien, Kiew, Tschernihiw oder Charkiw verbreitet habe. Ein anderer Militärblogger behauptete demnach, dass die in Belarus zusammengezogen Truppen beider Länder zu klein seien, um Kiew anzugreifen. Was trifft zu?

Teil russisch-belarussischer Militärübungen: Schützenpanzer sowjetischer Bauart.
Teil russisch-belarussischer Militärübungen: Schützenpanzer sowjetischer Bauart. © IMAGO / ITAR-TASS

Noch ein Beispiel für eine Interpretation: Ein belarussischer Oppositionspolitiker war zuletzt – ebenfalls im Oktober – davon überzeugt, dass Putin und Lukaschenko im nächsten Frühjahr von Belarus aus eine Invasion planen. „Unsere Quellen sagen, dass die Russen bis dahin 120.000 Soldaten in Belarus stationieren wollen“, sagte der im Warschauer Exil lebende Pawel Latuschka dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND). Lukaschenko versuche bis Frühjahr, die belarussische Armee von jetzt 65.000 auf 100.000 Soldaten aufzurüsten, meinte Latuschka damals: „Das wird schwer für ihn. Wir sind ein friedliches Volk, unsere Leute wollen nicht gegen die Ukrainer kämpfen. Sie sehen gar keinen Grund in diesem Krieg und wollen nicht für Putin sterben.“

Ukraine-Krieg: Offenbar Truppenbewegungen an der Grenze zu Belarus

Er steht mit dieser Meinung nicht alleine da. „Eine aktive Teilnahme an dem Krieg ist in Belarus sehr unpopulär. Dies legen auch Umfragen nahe, die die britische Denkfabrik Chatham House alle drei Monate unter belarussischen Internet-Nutzern erhebt. Danach sind nur vier bis fünf Prozent für eine Beteiligung an den Kämpfen“, erklärt die Politikwissenschaftlerin Anna Kravtsenko, Expertin der Friedrich-Naumann-Stiftung für die Ukraine und Belarus, jetzt im Interview mit der Augsburger Allgemeinen.

Tatsächlich gebe es belarussische, „aber auch ukrainische Quellen, die von verstärkten Truppenbewegungen auf der belarussischen Seite der Grenze berichten. Allerdings offensichtlich nicht in einem Maße, das für eine neue Offensive ausreichen würde“, schildert sie: „Lukaschenkos Truppen sind bisher nicht Teil des Konfliktes. Die meisten Experten rechnen nicht damit, dass sich das ändert. Zumal die belarussische Armee klein ist und ihre militärische Schlagkraft überschaubar sein dürfte.“

Autokraten unter sich: der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (li.) und Moskau-Machthaber Wladimir Putin.
Autokraten unter sich: der belarussische Präsident Alexander Lukaschenko (li.) und Moskau-Machthaber Wladimir Putin. © IMAGO/Pavel Bednyakov

Dass seine Streitkräfte offenbar eine überschaubare Größe haben, erzählte kürzlich Lukaschenko selbst. So bekräftigte der belarussische Machthaber, dass er sich nicht an der russischen Invasion in der Ukraine beteiligen werde. „Wenn wir uns unmittelbar mit den Streitkräften, mit Soldaten in diesen Konflikt einmischen, tragen wir nichts bei, wir machen es nur noch schlimmer“, erklärte Lukaschenko laut der Agentur Belta Ende November in Minsk. Die seinen Angaben nach 35.000 bis 40.000 Mann starke belarussische Armee werde für Russland das Problem dieses Feldzugs nicht lösen. „Wir mischen uns nicht ein, wir töten niemanden, wir schicken keine Soldaten dorthin, weil es nicht nötig ist“, sagte Lukaschenko seinerzeit.

Wladimir Putin und Alexander Lukaschenko: Was planen die beiden Machthaber bei ihrem Treffen?

Ein Bluff? Die Realität? Unlängst hatte Moskau Raketen- und Luftabwehrsysteme nach Belarus verlegt. „Unsere Soldaten haben ihre Ausbildung in den gemeinsamen Kampftrainingszentren der Streitkräfte der Russischen Föderation und der Republik Belarus vollständig abgeschlossen“, teilte Leonid Kasinsky vom Verteidigungsministerium in Minsk in einem an Weihnachten auf Telegram veröffentlichten Video mit.

Zu welchen Zugeständnissen will Putin Lukaschenko noch vor Silvester bewegen? Was planen die beiden bei ihrem Treffen? Antworten werden wohl die nächsten Wochen im Ukraine-Krieg liefern. (pm)

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