Bürgergeld vs. Arbeit: Lohnt sich arbeiten überhaupt noch?
Das Bürgergeld ersetzt Hartz IV und ist dabei noch etwa 50 Euro höher als die bisherigen Leistungen. Aber stimmt es, dass es sich somit für Geringverdiener kaum noch lohnt, arbeiten zu gehen?
Das Bürgergeld ist an die Stelle von Hartz IV getreten, eine der vielen Änderungen des neuen Jahres, und im Vergleich dazu sogar noch etwa 50 Euro höher. Kritische Stimmen aus verschiedensten Lagern bemängeln jedoch, dass sich das Arbeiten besonders für Geringverdiener mit Vollzeitstelle jetzt kaum noch lohnen würde. Aber was ist dran an diesem Vorwurf?
Bürgergeld: Was ändert sich denn jetzt wirklich?
Rein finanziell gesehen, ist das Bürgergeld eine kleine Finanzspritze für Arbeitslose. Der Regelsatz steigt auf 502 Euro (bisher 449 Euro) für Erwachsene, für Kinder geht es im Schnitt auf 362 Euro (vorher 324 Euro). Dazu kommen bürokratische Vorteile:

- Bürgergeld-Empfänger dürfen mehr Geld nebenbei verdienen (ohne Kürzung der Regelsätze).
- Grenze für das Anrechnen von Ersparnissen wird angehoben.
- Bürgergeld-Empfänger dürfen zwei Jahre in der jetzigen Wohnung bleiben – auch wenn diese eigentlich zu groß ist (Staat übernimmt Kosten).
Bürgergeld: Was sagen die Kritiker genau?
Laut dem Focus sprach Carsten Linnemann (CDU) davon, dass das Nichtarbeiten durch das Bürgergeld deutlich attraktiver werde. Ein Umstand, den im selben Bericht auch der Präsident des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) bestätigte. Laut Focus sprach Hans Peter Wollseifer davon, dass die Grenzen zwischen Bürgergeld und regulärer Arbeit immer mehr verschwimmen. Und das führe dazu, dass sich für mehr Menschen als bisher das Nicht-Arbeiten mehr lohnt als das Arbeiten.
Ebenfalls Streitpunkt: Bürgergeld-Empfänger bekommen, zusätzlich zu den Regelsätzen, Miete, Heizkosten und die Rundfunkgebühr bezahlt. Alles Dinge, die von Nicht-Bürgergeld-Empfängern gezahlt werden müssen.
Bürgergeld vs. Lohn – wann sich ein Job lohnt
Wenn man diverse Szenarien einmal durchspielt, zeichnet sich eine Richtung, ab wann sich ein Job lohnt. Es folgt ein Beispiel, in dem alle Erwachsenen eine Vollzeitstelle haben. Ihr monatlicher Lohn von 2.500 Euro (brutto) liegt über dem Mindestlohn, aber unter dem Bundesdurchschnitt (4.100 Euro/Monat).
Single | Alleinerziehend (1 Kind) | Paar | Paar (2 Kinder) | |
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Bruttoeinkommen | 2.500 € | 2.500 € | 5.000 € | 5.000 € |
Nettoeinkommen | 1.726 € | 1.917 € | 3.354 € | 3.810 € |
Kindergeld | – | 250 € | – | 500 € |
Gesamteinkommen mit Job | 1.726 € | 2.167 € | 3.354 € | 4.310 € |
Mit Bürgergeld sähe es folgendermaßen aus (beide Erwachsenen sind Empfänger):
Single, in € | Alleinerziehend (1 Kind), Einkommen in € | Paar, Einkommen in € | Paar (2 Kinder), Einkommen in € | |
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Bürgergeld Erwachsene | 502 € | 502 € | 902 € | 902 € |
Bürgergeld Kinder | – | 362 € | – | 724 € |
Wohnungsgröße max (in qm) | 50 | 65 | 65 | 95 |
Mietzuschuss (Bundesdurchschnitt) | 519 € | 675 € | 675 € | 986 € |
Heizkostenzuschuss (Verbrauchsdurchschnitt) | 146 € | 190 € | 190 € | 190 € |
Rundfunkgebühr | 18,36 € | 18,36 € | 18,36 € | 18,36 € |
Gesamteinkommen mit Bürgergeld | 1.185 € | 1.747 € | 1.785 € | 2.908 € |
Vorteil mit Arbeit | 541 € | 420 € | 1.569 € | 1.402 € |
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Alle Angaben ohne Gewähr
Dieses Rechenbeispiel wurde vom Focus noch weitere Male durchgespielt. Dabei zeigte sich, dass sich die Arbeit in der Regel immer lohnt. Ausnahme: Eine Familie mit vier Kindern, die vom Mindestlohn leben muss, ist mit dem Bürgergeld besser gestellt. In so einem Fall würden vom Staat aber noch weitere Hilfen, etwa Wohngeld, folgen.
Kündigen und Bürgergeld beantragen? Besser nicht
Für einige Menschen mag das Bürgergeld verführerischer sein, als ein Mindestlohnjob. Aber Vorsicht: Kündigen wäre eine schlechte Idee. Aus mehreren Gründen.
- Bürgergeld ist eine nachrangige Sozialleistung und kann erst beantragt werden, wenn andere Sozialleistungen ausgeschöpft wurden (z.B. Arbeitslosengeld, Krankengeld, div. Zuschüsse). Die Chance, dass der Antrag abgelehnt wird, ist hoch.
- Wer kündigt, bekommt nicht einfach Bürgergeld. Die Kündigung muss vor der Arbeitsagentur gerechtfertigt werden und kann mit Sanktionen (bis 30 Prozent Kürzung) bestraft werden.
- Bürgergeld-Empfänger haben Pflichten, z.B. das Erbringen von Nachweisen der Jobsuche oder das Wahrnehmen von Weiterbildungsmaßnahmen der Arbeitsagentur.
- Bürgergeld-Empfänger zahlen nicht in die Rentenkasse. Jedes Jahr mindert hier also die Rentenbeiträge in der Zukunft. Außerdem kann die Arbeitsagentur Menschen mit 63 Jahren zwangsverrenten, die Zeit kommt vielleicht also früher als gedacht.