Lebensmittelverschwendung
Abgelaufen! Die Zeit des Mindesthaltbarkeitsdatums könnte bald rum sein - aus gutem Grund
Oft landen Lebensmittel, die noch genießbar sind, im Müll. Ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum löst bei einigen Verbrauchern Unsicherheit aus. Das könnte sich bald ändern.
- Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) sorgt oft für Verwirrung beim Verbraucher.
- In Deutschland werden viele genießbare Lebensmittel weggeworfen.
- Die Regierung plant neue Vorschriften zum Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD).Hamm/ NRW - Ist die Milch noch gut? Kann man das Ei noch essen? Wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) für Lebensmittel abgelaufen ist, kommen schnell Skrupel beim Verbraucher auf. Die Folge: Viele Lebensmittel, die noch genießbar wären, landen im Müll. Über neue Vorschriften, um das Mi ndesthaltbarkeitsdatum für bestimmte Lebensmittel anders zu regulieren, wurde am Montag im Bundes-Ernährungsausschuss diskutiert, berichtet wa.de*.
Mindesthaltbarkeitsdatum
Rechtsgrundlage
§ 7 LMKV, der Lebensmittel-Kennzeichnungsverordnung (für Lebensmittel)
§ 5 der Kosmetikverordnung (für Kosmetika)
Festlegung
liegt beim Hersteller
Lebensmittel ohne Kennzeichnungspflicht (Auswahl)
frisches Obst und Gemüse, Wein, Kaugummi, Zucker, Speisesalz oder Essig
Jährlich werden deutschlandweit mehrere Tonnen Lebensmittel weggeschmissen. Grund dafür ist unter anderem ein abgelaufenes Mindesthaltbarkeitsdatum. Dabei zeigt ein aktueller Langzeittest an zwölf Lebensmitteln, den das Greenpeace Magazin in Zusammenarbeit mit dem KIN Lebensmittelinstitut Neumünster zum Thema Lebensmittelverschwendung durchführte, dass die Haltbarkeit vieler Lebensmittel nicht mit einem abgelaufenen Mindesthaltbarkeitsdatum verstreicht.
Mindesthaltbarkeitsdatum: Studie zeigt, Eier 112 Tage länger haltbar als MHD
So zeigt der Test, dass Eier, die im Kühlschrank gelagert wurden, bis zu 112 Tage nach Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums roh genießbar waren, teilt das Greenpeace Magazin mit. Sogar mehrere Monate über dem MHD waren Naturjoghurt im Becher, original verpackter Käse am Stück, Tofu und Tortellini mit Käse in eingeschweißten Packungen noch genießbar. "Wir zeigen: Solange die Ware richtig gelagert wurde, ist das Risiko für den Verbraucher extrem gering, sowohl für die Gesundheit als auch für die Qualität", sagt Michael Pauli, Geschäftsführer und Chefredakteur des Greenpeace Magazins.
Angesichts des Ergebnisses seiner Studie zum Mindesthaltbarkeitsdatum rät Pauli: "Daraus folgt: Wirklich jeder kann etwas gegen Lebensmittelverschwendung tun! Kaufen Sie nur das ein, was Sie tatsächlich verbrauchen wollen, greifen Sie zu Waren kurz vor Ablauf des aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatums, probieren Sie, ob ein abgelaufenes Produkt noch gut ist. Der beste Dreiklang gegen Lebensmittelverschwendung lautet: Sehen, riechen, schmecken!"
Mindesthaltbarkeitsdatum: Lebensmittelverschwendung wegen Verwechslung
Was Verbraucher im Vorfeld beachten müssen: Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist nicht gleich das Verbrauchsdatum. Das MHD gibt - wie der Name schon sagt - den Zeitpunkt an, bis zu dem ein Lebensmittel bedenkenlos, bei richtiger Lagerung verzehrt werden kann. Die Angabe liegt im Ermessen des Herstellers. Da es hier zu Missverständnissen kommen kann und viele essbare Lebensmittel weggeschmissen werden, sollen neue Vorschriften das MHD regeln. "Unser Test zeigt, wie irreführend das MHD ist: Alle Produkte haben es mindestens drei Wochen über das aufgedruckte Datum hinaus geschafft", so Pauli.
Das Verbrauchsdatum gibt, anders als das Mindesthaltbarkeitsdatum, den letzten Tag der Haltbarkeit an. Die Angabe lautet hier "zu verbrauchen bis" und gilt bei Lebensmitteln, die besonders schnell verderblich und empfindlich sind ‒ wie Hackfleisch oder frischer Fisch.
Seit 1981 ist das #Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) in ein Muss. Es ist aber kein Verfallsdatum - #Lebensmittel sind mit Ablauf des MHD nicht automatisch verdorben.
— BMEL (@bmel) February 22, 2019
Unser Service: Flyer mit Tipps ⇨ https://t.co/v6DvbLZvVY#Lebensmittelverschwendung #zgfdt #nofoodwaste pic.twitter.com/VbmfzVFW7K
Mindesthaltbarkeitsdatum: Diskussion in der Politik über Lebensmittelverschwendung
Um die drastische Lebensmittelverschwendung - mindestens elf Millionen Tonnen Lebensmittel werden in Deutschland jährlich verschwendet, wie das Ministerium für Umwelt mitteilt - zu verringern, wird immer wieder über neue Vorschriften und grundlegende Änderungen zum Mindesthaltbarkeitsdatum diskutiert. Die Verbraucherzentrale NRW ist allerdings der Ansicht, dass das MHD einen hohen Bekanntheitsgrad hat und wichtige Orientierung bietet. "Eine neue Kennzeichnung zur Haltbarkeit lehnen wir ab."
In einer Anhörung des Bundestags-Ernährungsausschuss wurde am Montag über eine Änderung des Mindesthaltbarkeitsdatums diskutiert. Die Grünen fordern unter anderem die Abschaffung des MHD für langlebige Produkte wie Nudeln oder Reis auf EU-Ebene. Wichtig ist zu wissen, dass unterschiedliche Lebensmittel unterschiedlich haltbar sind.
Der Handelsverband erklärte eine solche Anpassung des Mindesthaltbarkeitsdatums bei sehr lange haltbaren Lebensmitteln für sinnvoll. Eine solche Befreiung sei aber für jedes infrage kommende Produkt einzeln zu prüfen. "Die Lebensmittelsicherheit darf nicht gefährdet werden." Die Verbraucherzentrale NRW bemängelt, dass die Hauptschuld oft den Verbrauchern zugewiesen werde, "obwohl die Wirtschaft mindestens ähnlich stark am Aufkommen von Lebensmittelabfällen beteiligt ist."
Mindesthaltbarkeitsdatum: Verbraucherzentrale NRW äußert sich zu Lebensmittelverschwendung und MHD
Grundsätzlich zeigt sich die Verbraucherzentrale NRW aber offen für eine MHD-Abschaffung bei Salz oder Zucker. Bei anderen Produkten sieht sie dies aber kritisch: So seien Nudeln nicht gleich Nudeln. Es gebe sie frisch und getrocknet, mit und ohne Ei - bei durchaus unterschiedlicher Haltbarkeit. Etwa bei Kaffee, Tee, Hartkäse und Gewürzen könne außerdem nach gewisser Lagerzeit ein Qualitätsverlust auftreten. Bevor das Mindesthaltbarkeitsdatum für bestimmte Lebensmittel abgeschafft würde, seien daher genaue Untersuchungen zur tatsächlichen Haltbarkeit nötig. *wa.de ist Teil des Ippen-Digital-Netzwerks.
Rubriklistenbild: © Karl-Josef Hildenbrand/dpa