Fredi Heiß, Bernd Patzke und Hansi Reich auf Spurensuche am magische Ort der Meister-Löwen

Spurensuche mit Fredi Heiß, Bernd Patzke und Hansi Reich. Im fast vergessenen Hotel Seeheim erinnern sich die 1860-Helden an ihre erfolgreiche Zeit.
Herrsching – Eine unauffällige Einfahrt an der Seestraße zwischen Herrsching und Aidenried. Dahinter ein paar alte Fichten, ein Parkplatz und ein Haus, an dem gerade Instandhaltungsmaßnahmen durchgeführt werden. Nichts deutet drauf hin, dass dies einst das beliebteste und mit 32 Zimmern größte und feinste Hotel am Ammersee war. Sogar mit eigener Konditorei im Keller. Und: Dass hier über Jahrzehnte Fußball-Geschichte geschrieben wurde – bayerische, deutsche und internationale.
Spurensuche im „idyllischen Wartaweil“, wie das renommierte deutsche Sport-Magazin das „Hotel Restaurant Seeheim“ am 8. Juli 1953 mit großem Foto auf der Titelseite nennt. Reporter Michael Steinbrecher schreibt: „Hier holten sich die Kandidaten für die WM 1954 neue Kräfte“. Bundestrainer Sepp Herberger legte hier also mit dem Großteil seiner Nationalspieler den Grundstein für das „Wunder von Bern“, den WM-Titel des Teams um Kapitän Fritz Walter.
Im „Seeheim“ waren Fußball-Stars wie Pelé, Zico, Seeler, Beckenbauer, Müller und Maier zu Gast
Das „Seeheim“ in Wartaweil, das von 1950 bis 2002 dem Bayerischen Fußball-Verband (BFV) gehörte, beherbergte aber nicht nur die deutschen Nationalmannschaften (auch 1966 unter Helmut Schön mit Uwe Seeler) oder den FC Santos mit seinen brasilianischen Weltstars Pelé und Zico. Auch die Münchner Bayern logierten hier vor wichtigen Spielen – wie ein uraltes Foto mit Franz Beckenbauer, Gerd Müller, Sepp Maier und Co. im 15.000 Quadratmeter großen, parkähnlichen Garten des Seeheims beweist. Der obere Teil der Wiese war den Fußballern zum Trainieren vorbehalten, der untere Teil war Liegewiese.
Die Spieler des TSV 1860 waren in den 60er Jahren unter Trainer Max Merkel mehrere Jahre Stammgäste im Seeheim. Hier bereiteten sie sich auf ihre Spiele vor – auch in der Bundesliga-Meister-Saison 1965/66 und vor dem Achtelfinal-Sieg (1:0) im Europapokal im November 1966 gegen Real Madrid. Von Wartaweil aus fuhren sie – in den eigenen Autos – ins Grünwalder Stadion. Die „tollen Pächter“ (das waren Maria und Adam Oberhofer) waren später immer wieder ein Thema bei den Treffen der alten 60er. Und vor allem stellte sich die Frage: Was ist aus dem Seeheim geworden?
„Das kann man gar nicht glauben, das ist so schade.“
60 Jahre nach ihren „beliebten Trainingslagern“ machten sich jetzt die drei (neben Torwart Petar „Radi“ Radenkovic) noch lebenden Meister-Löwen Fredi Heiß (82), Bernd Patzke (80), beide ehemalige Nationalspieler, und Hans Reich (80) auf den Weg an den Ammersee, um eine Antwort auf diese Frage zu bekommen. Sie trafen dort auf Johann Oberhofer (67), den Sohn der damaligen Pächter, ihren „Hansi“, der von 1961 bis 1979 im Seeheim aufwuchs – so lange waren die Eltern Pächter.

Auch für ihn war’s eine Reise in die Vergangenheit: „Ich war 30 Jahre nicht mehr hier, da läuft jetzt einiges im Kopf-Kino ab.“ Großes Wiedersehens-Hallo, dann erfuhren die 1860-Idole vor Ort: Das um 1930 erbaute „Bollmann-Haus“, wie es früher hieß, gehört(e) zu den „Lost places“ (vergessene Orte) im Landkreis Starnberg. Fast 20 Jahre standen das Haupthaus und der Hotel-Trakt, in dem einst die Urlauber, aber auch die Fußballer wohnten, leer, verfielen zusehends. Heiß: „Das kann man gar nicht glauben, das ist so schade.“
TSV 1860 München: In Zimmer Nummer 8 wohnten Rudi Brunnenmeier und Hennes Küppers
Die Pläne, ein neues 70-Zimmer-„Seehotel“ zu bauen, konnten 2002 nicht realisiert werden. Das Anwesen direkt am See (längst ohne den prächtigen, gut 70 Meter langen Steg) verrottete und moderte vor sich hin. Die Pflanzen wucherten und vieles fiel sinnloser Zerstörungswut zum Opfer. Was nicht niet- und nagelfest war, wurde geklaut – Türbeschläge, Lampen und Terrassenplatten genauso wie das Holz der Balkone im ersten Stock vor den mittlerweile als Lagerräume genutzten, „spartanischen“ Hotel-Zimmern. Einst – heute unvorstellbar – mit einfacher Etagendusche und -Toilette.
„Schaut, da haben wir gewohnt“, zeigt Heiß auf die einstige Unterkunft. Ein Blick durch die Fenster weckte bei allen sofort Erinnerungen. „Das war Zimmer Nummer 8 – da wohnten Rudi Brunnenmeier und Hennes Küppers“, weiß Oberhofer noch ganz genau. „Und Max Merkel hatte das einzige Einzelzimmer, die Nummer 11.“ Betreten allerdings verboten. Reich: „Ich hätte doch so gerne mein altes Zimmer gesehen...“
Das Seeheim wurd vor einem Jahr aus dem Dornröschenschlaf erweckt
Vor einem Jahr wurde das Seeheim endlich aus seinem Dornröschenschlaf erweckt. Der neue Eigentümer, ein Unternehmer aus dem Landkreis Starnberg, ließ Mieter einziehen, die sich seither darum kümmern, wenigstens den Bestand zu erhalten und bereits umfangreiche Renovierungs-, Sanierungs- und Umbaumaßnahmen durchgeführt haben. „Alles ist verändert, das hat mit den alten Räumlichkeiten nicht mehr viel zu tun. Wir mussten fast alles rausreißen“, erzählt der Mieter.
Die Theke, der Speisesaal und das Besprechungszimmer, in dem Merkel und Tschik Cajkovski ihre Ansprachen hielten, wurden komplett um- und die Holzverkleidungen abgebaut, das Lesezimmer ist jetzt ein Stüberl, das alte Klavier und der grüne Kachelofen sind entsorgt. Und die riesengroße, längst marode Küche im Keller, die Kühlräume und der Lasten- und Essens-Aufzug lassen erahnen, was hier zu den Hochzeiten des Hotels (Aufenthalt immer mit Vollpension) los war.
1860-Helden Heiß, Reich und Patzke werden immer noch von den Löwen-Fans erkannt
Bei den Besuchern aus München, den drei „Rückkehrern“ ins einstige Trainingslager, weckte der kleine Ausflug zurück in so viel bessere Löwen-Zeiten viele Erinnerungen. „Ich war immer sehr gerne hier“, erzählte Patzke. „Ich hatte alles größer in Erinnerung“, meinte Heiß. Und Reich sagte zu Oberhofer: „Das Essen bei deinen Eltern war einfach das allerbeste.“
Abschluss des Ausflugs an den Ammersee: Ein Mittagessen auf dem „Heiligen Berg“ in Andechs. Plötzlich ein erstaunt-erfreuter Ruf eines älteren Herrn am Nachbartisch: „Der Heiß, der Reich und da hinten der Patzke – ja da leckst mi am A...!“ Was für ein Kompliment für die 1860-Helden von 1966. Sie sind nicht vergessen. Anders als „ihr“ Seeheim Wartaweil… (THOMAS ERNSTBERGER)