Gorenzel bricht sein Schweigen: „Mein Plan war es nie, Trainer zu sein“

Der Sportchef bricht sein Schweigen. Zwei Monate lang war Günther Gorenzel (51) medial abgetaucht, ertrug im Hintergrund stoisch die Seitenhiebe aus allen Richtungen.
München – Im ersten Teil des Interviews mit unserer Zeitung nimmt der Löwen-Geschäftsführer Stellung – zur Krise rund um den Trainerwechsel und zu seiner Rolle beim TSV 1860.
Herr Gorenzel, am 27. Februar, als Sie Maurizio Jacobacci als neuen Trainer vorstellten, hatten Sie Ihren letzten öffentlichen Auftritt, verzichteten seither auch auf die zuvor üblichen Statements bei MagentaSport. Was ist der Grund für Ihr mediales Abtauchen?
Das habe ich auch in der Vergangenheit immer mal wieder gemacht. Manchmal ist es gut, auf Abstand zu gehen, die Dinge von außen zu reflektieren und daraus seine Schlüsse zu ziehen. Es war jetzt länger als sonst, aber im Sinne des Gesamtprozesses ist es sicherlich förderlich, wenn ich von Zeit zu Zeit nicht Woche für Woche das Tagesgeschehen kommentiere.
TSV 1860: Köllner kritisiert Holzhauser-Transfer – Gorenzel wehrt sich
Würden Sie es im Rückblick als Fehler bezeichnen, Michael Köllner nicht schon viel früher entlassen zu haben?
Nach einem guten ersten Saisonviertel wurde die Performance schlechter. Das registrierst du natürlich, versuchst gegenzusteuern durch Gespräche. Und was ganz entscheidend ist: Wenn du mit einem Menschen vertrauensvoll über drei Jahre zusammenarbeitest, setzt du das nicht so ohne Weiteres in den Sand. Michael hatte auch zuvor schwierige Phasen gemeistert, hat immer den Turnaround geschafft. Man klammert sich an diesen Glauben – bis die beschriebene Schere zu weit auseinander geht.

Anstatt den Trainer zu entlassen, kam in der Winterpause Raphael Holzhauser, über den Köllner jüngst in einem Interview sagte: „Im Winter gab es die ein oder andere Personalie, die nicht in meinem Interesse war.“
Gegenfrage: Wer hat dazu in Belek den Verein auf das Schärfste kritisiert? Obwohl er tagesaktuell über den Stand der Verhandlungen mit OH Leuven zur Leihe von Raphael Holzhauser informiert war? Mehr will ich nicht dazu sagen.
TSV 1860: Gorenzel machte sich für Jacobacci-Verlängerung stark
Hasan Ismaik war ja massiv verärgert, weil er der Meinung war, dass man Köllner gar nicht hätte entlassen dürfen. Die Ergebnisse im Februar, als Sie an der Seitenlinie einsprangen, könnten diese Auffassung stützen.
Mein Plan war es nie, Trainer zu sein. Sonst hätte ich die letzten Jahre meines beruflichen Daseins ganz anders gestaltet.
Dennoch wurde der Vorwurf laut, Sie hätten sich profilieren wollen, als Sie im Februar für vier Spiele selbst den Trainer machten, anstatt Co-Trainer Stefan Reisinger ranzulassen.
Dieser Vorwurf entbehrt jeglicher Grundlage. Ich mache mir generell zu vielen Szenarien Gedanken. Doch Stefan musste fünf Tage nach Freistellung von Michael Köllner zum Fußballlehrer.
Aber Maurizio Jacobacci, der es am Ende wurde, wäre auch schon Anfang Februar verfügbar gewesen.
Zu meinen Aufgaben gehört es nicht nur, mich um einen Schattenkader zu kümmern, sondern auch den Trainermarkt zu beobachten. Unmittelbar nachdem mir die Kontaktdaten von Maurizio bekannt waren, habe ich ihn, wie einige andere auch, kontaktiert. Am Ende habe ich mich für Maurizio Jacobacci entschieden, weil ich mich intensiv mit ihm ausgetauscht habe, und mich seine Art und Weise und seine Fachkompetenz überzeugt haben. Ich bin der festen Auffassung, dass wir mit ihm die richtige Richtung eingeschlagen haben. Auch deswegen habe ich mich für eine Vertragsverlängerung mit ihm starkgemacht.
Günther Gorenzel: „Im Nachgang Kommentare zu Mitarbeitern, Spielern oder Trainern abzugeben, ist nicht mein Stil“
Woran lag es wirklich, dass die Löwen nach dem starken Start bis auf Platz neun abgestürzt sind?
Der Kader hat anfangs bestätigt, warum er von Experten so hoch eingeschätzt wurde. Schleichend ließ aber die Gier nach, dieser 100-prozentige Hunger, den du für dauerhaften Erfolg brauchst. Dazu kommt, dass es eine Illusion ist zu glauben, du könntest 38 Spieltage lang spielerisch bestehen. Du brauchst eine Mischung, musst den Jungs auch vermitteln, dass ein gewonnener Zweikampf ebenfalls ein Erfolg ist, dass du im Fußball nichts erreichst, wenn du nicht auch kompakt verteidigst. Fehlt diese Erkenntnis, gerätst du in ein Fahrwasser, das gefährlich ist, ziehst dich mit individuellen Fehlern noch weiter runter. Dazu brauchst du eine ganz klare Hierarchie, um da wieder rauszukommen, Typen mit Ecken und Kanten – dies gilt es in der täglichen Arbeit zu fördern.
Wurde das nicht gemacht?
Im Nachgang Kommentare zu Mitarbeitern, Spielern oder Trainern abzugeben, ist nicht mein Stil. Hierarchien müssen sich herauskristallisieren, gefördert werden. Im Fußball gibt es vier wesentliche Faktoren: spielerische, taktische, athletische – und Persönlichkeitsmerkmale. Dass uns da die Balance für die nötige Konstanz gefehlt hat, darüber gibt es keine zwei Meinungen.
Interview: Uli Kellner
Der zweite Teil des Interviews erscheint in der Wochenend-Ausgabe.