Biathlon: „Für mich war ein Rücktritt kein Thema. Das wurde von außen herangetragen“

Nach ihrem Olympiasieg im Biathlon kursierten Gerüchte um einen Rücktritt von Denise Herrmann. Im Interview räumt sie mit den Spekulationen auf, spricht über die neuen Regeln und blickt mit Vorfreude auf die Biathlon-Sommer-WM in Ruhpolding.
Ruhpolding - In Peking krönte Denise Herrmann mit dem Olympiasieg im Einzel ihre Biathlon-Karriere. Trotz ihres größten Erfolges verspürt sie noch große Lust auf Biathlon und hat konkrete Pläne für die kommende Saison.
Im Interview mit chiemgau24.de spricht sie über die Spekulationen zu ihrem Rücktritt, die einschneidenden Regeländerungen im Biathlon, die Ziele für die neue Saison und einen möglichen Verbleib im Wintersport nach ihrer Laufbahn.
Frau Herrmann, wie ist die Vorbereitung auf die neue Saison angelaufen?
Denise Herrmann (33): Der Mai war ganz schön anspruchsvoll. Neben den üblichen Trainingseinheiten hatte ich privat viel um die Ohren. Mein Verlobter Thomas Wick und ich sind in der Planung für unseren Hausbau und im September werden wir heiraten. Dennoch konnte ich mein Training problemlos absolvieren. Es läuft alles nach Plan, ich konnte alles umsetzen, was ich mir vorgenommen hatte.
Es kursierten Gerüchte um Ihren Rücktritt. Hatten Sie das überhaupt in Erwägung gezogen?
Herrmann: Für mich war ein Rücktritt kein Thema. Ich war voll fokussiert auf Olympia. Nach Peking war ich im Flow und habe mich nur auf den Sport konzentriert. Ich war dann doch etwas überrascht, dass ich ständig auf einen möglichen Rücktritt angesprochen wurde. Das Thema wurde von außen herangetragen, ich selbst habe mich damit nicht beschäftigt.
Biathlon: „Das ist mit harter Arbeit verbunden und kommt nicht von alleine“
Ihre Schießleistung hat sich in der vergangenen Saison verbessert, läuferisch ging es leicht zurück. Haben Sie Gründe dafür ausgemacht?
Herrmann: Das Leistungsniveau hat sich in den letzten Jahren deutlich erhöht. Das Feld ist zusammengerückt, viele Talente von früher haben einen großen Schritt nach vorne gemacht. Ich selbst bin eher defensiv in die Saison gestartet, der Fokus lag klar auf Olympia. Das verändert natürlich die Leistungsdaten über eine ganze Saison gesehen. Wenn bei mir alles gepasst hat, konnte ich aber mit den Besten mithalten.
Welche Ziele haben Sie sich für die kommende Saison gesetzt?
Herrmann: Konstanz und Stabilität sind die entscheidenden Punkte, an denen ich arbeite. Das betrifft vor allen Dingen den Schießstand. Ich will so konstant schießen, wie es mir im letzten Saisondrittel gelungen ist. Das ist mit harter Arbeit verbunden und kommt nicht von alleine.
Biathlon: Denise Herrmann hat die Sommer-WM im Visier
Im August steht die Sommer-WM in Ruhpolding an. Werden Sie an den Start gehen?
Herrmann: Ja, da will ich unbedingt dabei sein. Ich bin noch nie bei einer Sommer-WM gestartet. Da will ich die Gelegenheit natürlich nutzen, vor heimischer Kulisse anzutreten. Das wird ein cooles Event vor der Haustüre. Zudem ist es ein guter Härtetest. Das Teilnehmerfeld wird aller Voraussicht nach hochkarätig sein, für mich wird das eine gute Standortbestimmung. Zudem kann man Inhalte, die man sich im Training erarbeitet hat, unter Wettkampfbedingungen testen. Das ist ein sehr attraktives Gesamtpaket.
Im Weltcup-Reglement hat sich viel verändert. Für die Bestplatzierten gibt es künftig mehr Weltcuppunkte, zudem fallen die Streichresultate weg. Wie stehen Sie zu diesen Änderungen?
Herrmann: Ich finde die Änderungen gut. Aus dem Langlauf kenne ich es bereits, dass es für die besten Platzierungen entsprechend viele Punkte gibt. Dass es keine Streichresultate mehr gibt, sehe ich ebenfalls als positive Entwicklung. Ich war nie ein Fan dieser Regel. Wer den Gesamtweltcup gewinnen will, muss über die gesamte Saison hinweg einfach der beste sein. Da sollte dann auch jedes Ergebnis erfasst werden. Bislang wurde das Risiko, jeden Weltcup zu laufen, nicht wirklich belohnt. Durch die Streichergebnisse hatte man immer die Option, Rennen auszulassen, ohne dass das Konsequenzen hat. Das entspricht nicht meiner Vorstellung eines Gesamtweltcups.
Die WM ist nicht mehr Teil des Weltcups. Könnte das die sportliche Qualität jenseits der Medaillenränge vermindern?
Herrmann: Im Langlauf sind die Ergebnisse auch nicht in den Gesamtweltcup eingeflossen. Von daher ist das für mich nichts neues. Bei einer WM will ich immer meine beste Leistung geben, egal ob es um Medaillen oder Platzierungen geht.
Seit Jahren schwebt das Thema Fluor-Verbot über dem Biathlon-Zirkus. Wie stehen Sie dazu?
Herrmann: Wenn es kommt, sollte es für alle fair sein. Es darf nicht das Szenario entstehen, dass Nationen mit hohem Budget den anderen Nationen klar überlegen sind. Das wäre nicht gut für unseren Sport. Zudem muss sichergestellt werden, dass es keinen Materialbetrug gibt. Ich kenne den aktuellen Entwicklungsstand nicht, bleibe aber skeptisch.
Mit Felix Bitterling gibt es einen neuen Sportlichen Leiter im Biathlon. Wie ist Ihr erster Eindruck?
Herrmann: Ich kenne Felix schon sehr lange und bin überzeugt, dass er der richtige Mann für diese Position ist. Er ist ein sehr strukturierter Mensch, Teamplayer und mit hoher Kompetenz ausgestattet. Zudem hat er ein sehr breites internationales Netzwerk in der Biathlon-Szene, davon können wir nur profitieren.
Mit Sverre Olsbu Roeiseland hat das deutsche Damen-Team einen neuen Co-Trainer. Wie sind die ersten Eindrücke?
Herrmann: Es ist passiert. Ich habe einen Trainer, der jünger ist als ich (lacht). Spaß beiseite: auch hier kann ich nur Positives berichten. Sverre bringt eine neue Ansprache mit und setzt neue Impulse. Die Ansprache ist vom Wording her eine andere, auch das setzt neue Reize. Ich verspreche mir von der Zusammenarbeit gerade im Bereich Schießen eine positive Entwicklung.
Ist es Thema, dass mit Marte Olsbu Roeiseland seine Ehefrau zu den besten Biathletinnen der Welt gehört?
Herrmann: Natürlich wird darüber gesprochen. Davon können aber beide Seiten nur profitieren. Er bringt hohe Kompetenzen und gute Erfahrungen in der Zusammenarbeit mit seiner Frau mit und kann auch von unseren Fähigkeiten und Erfahrungen profitieren. Marte wird aller Voraussicht nach im September mit uns trainieren, auch davon können wir nur profitieren.
Sehen wir Denise Herrmann nach ihrer Karriere weiterhin im Wintersport?
Herrmann: Konkrete Pläne habe ich noch nicht, kann mir das aber durchaus vorstellen. Ich habe vielschichtige Erfahrungen gemacht, die ich gerne weitergeben würde. Wir haben im Deutschen Skiverband ein Mentoring-Programm gestartet, da konnte ich mich mit jungen Athleten austauschen und hatte große Freude daran. Dass ich klassische Trainerin werde, kann ich mir nicht vorstellen. Dass ich dem Sport erhalten bleibe, aber durchaus.
Quelle: chiemgau24.de
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