Olympia: Manipulierte Corona-Tests in Peking? „Wille zum Betrug ist da“

Ob Corona-Tests, Zuschauerzahl oder Doping - kurz vor dem Start der Olympischen Winterspiele in Peking werfen viele chinesische Gebärden Fragen auf. Experten blicken mit Sorge ins Reich der Mitte.
Heroldsberg - Nächste Woche Freitag (4. Februar) starten die Olympischen Spiele* in Peking. Auch aus medizinischer Sicht sind noch viele Fragen offen. Der Pharmakologe Professor Fritz Sörgel (72) gibt im Interview mit dem Münchner Merkur die Antworten.
Herr Sörgel, eine Olympia-Blase ohne Omikron-Fall. Ist das möglich?
Sörgel: Nein, das ist unrealistisch. Die Lage ist so verzwickt, dass selbst kurz vor Abflug* getestete Personen bei ihrer Ankunft 24 Stunden später positiv sein können. Ansteckungen komplett zu verhindern ist nicht möglich. Und: Wir lernen in dieser Pandemie immer noch von Tag zu Tag, wir haben längst noch kein abgeschlossenes Bild von diesem Virus und seinen Invasionstricks.
In den vergangenen Wochen ist ein Diskurs um den CT-Wert aus den PCR-Tests entstanden, der entscheidet, ob eine Probe positiv ist oder nicht. In Europa liegt er bei 30, bei der WHO bei 35, in China bisher bei 40. Was ist das Problem?
Der CT-Wert gibt an, wie oft ich die Erbinformation des Virus in einem Reagenzglas künstlich mit Enzymen vermehren muss, bis die Lösung sich verfärbt. Corona-Infizierte, die in Deutschland im Krankenhaus landen, haben meist einen CT-Wert deutlich unter 20. Generell gilt: Je kleiner der Wert, desto infektiöser der oder die Infizierte. Wenn ich den Vermehrungszyklus aber 40-mal durchführen muss, bis etwas passiert, hat die Person nur eine sehr niedrige Viruslast in sich. Die Gefahr ist, dass spätestens ab einem Wert von 35 nur noch Bruchstücke, die auch sehr lange nach einer Infektion vorhanden sein können, übrig sind. Nach den Einwürfen der Verbände hat man jetzt aber den Wert 35 akzeptiert, aber mit erheblichen Einschränkungen und zusätzlich Tests.
Olympia 2022: Corona-Test vor Peking-Auftakt im Fokus - „überzogene Regelung“
Der strenge Wert basiert auf Chinas Zero-Covid-Politik, richtig?
Ja. Wenn ein BMW*-Mitarbeiter, der am Produktionsband arbeitet, zur Sicherheit mehrtägig in Isolation geht, ist das vertretbar. Der kommt danach wieder und macht einfach weiter. Aber Athleten beraubt man durch diese überzogene Regelung unter Umständen des größten Erlebnisses ihrer Karriere. Bei den Sommerspielen in Tokio* wurden übrigens nur Schnelltests gemacht – das kann man sich jetzt ein paar Monate später gar nicht vorstellen. Bei positiven Schnelltest war dann der folgenden PCR-Test mit einem CT-Wert unter 40 positiv. Aber damals dominierte noch die Delta-Variante und nicht Omikron* und wir waren in einer anderen Phase der Pandemie.
Das klingt alles so, als würden Sie die Austragung der Spiele für durchaus vertretbar halten?
Das IOC will es. China will es. The Show must go on.

Pharmakologe erklärt Fall Djokovic und die Angst mancher Menschen vor der Corona-Impfung
Anderer Fall. War Novak Djokovic eine Gefahr für Australien? Hätten Sie ihn in Melbourne spielen lassen?
Es ist schon eine schwierige Gemengelage: einerseits fehlt mir das Vertrauen, dass Djokovic tatsächlich Corona positiv war und damit das Recht hatte, nach Australien zu fliegen. Andererseits haben die Australier, Politik und Tennisverband das Ganze an die Wand gefahren. Er hätte gar nicht abfliegen dürfen. Ich bin dafür, sich impfen zu lassen. Und viele Handlungen von Herrn Djokovic, die Adria-Tour bei Pandemiebeginn zum Beispiel, heiße ich nicht für gut, er ist kein Vorbild für die Jugend. Die Fairness gebietet es aber auch festzustellen, dass er im Prozess zu einer Feindfigur gemacht wurde, an dem ein Exempel statuiert werden sollte.
Verstehen Sie denn, warum er sich nicht impfen lässt?
Ich kann die Angst der Menschen vor Impfstoffen nachvollziehen, es geben Patienten ja auch ihre verschriebenen Medikamente ungeöffnet zurück oder werfen Sie in die Tonne, nachdem sie den Beipackzettel gelesen haben. Aber bei Djokovic war das ganze Verhalten nach meiner Meinung eine bewusste Provokation. Die Sorge bei einer Impfung geschädigt zu werden, war vielleicht in den ersten vier bis acht Wochen angemessen, aber mittlerweile haben wir Milliarden Menschen geimpft und die Nebenwirkungen sind nicht groß. Corona* ist einfach großer Mist, aber ohne die Impfstoffe, was hätten wir da gemacht?
Olympische Winterspiele in Peking: Angst vor manipulierten Corona-Tests
Auch in Peking dürfen nur geimpfte Athleten starten, es sei denn, man begibt sich vorher in eine dreiwöchige Quarantäne. Die Corona-Zahlen steigen, der offizielle Kartenvorverkauf wurde gestoppt, dennoch sollen Fans eingeladen werden. Eine Gefahr für die Olympia-Blase?
Es muss gelingen, diese Blase von ein paar Tausend Teilnehmern, Funktionären und Medienleuten dicht zu halten. Auch die Bundesliga und Kulturschaffende werden übrigens gespannt nach Peking schauen, ob man Großveranstaltungen ohne Superspreading machen kann. Wenn man weiß, dass China* Millionen-Städte abriegelt und in kürzester Zeit durchtestet, dann mögen sie glauben, dass es funktioniert. Die Fans sind mit Sicherheit handverlesene Kommunisten, die mit Stäbchen in der Nase zur Einlasskontrolle kommen (schmunzelt). Ich meine das nicht abwertend, aber ich bin gespannt, wie viele Zuschauer am Ende eingelassen werden, weil auch das einen Aufschluss darüber geben wird, wie sicher sich China ist. Man darf nicht erwarten, dass die Chinesen uns Infektionszahlen geben.
Der deutsche Alpinchef Wolfgang Maier hat neben den Problemen mit dem CT-Wert Angst vor manipulierten Tests. Ist das für Sie denkbar?
Der Testablauf ist von der Abnahme bis zur Übergabe im Labor hoffentlich ähnlich streng dokumentiert wie bei Dopingproben. Aber seit Sotschi wissen wir, dass Wände plötzlich Löcher haben können. Die Auswertung der Tests läuft voll automatisch, aber auch diese Maschinen sind natürlich nicht nur theoretisch manipulierbar*. Der Wille zum Betrug ist in unserer Gesellschaft, auch im Sport, immer da. Die Frage in Peking ist für mich, auf welcher Ebene könnte es sein. Und das wird spannend, auch lange nach den Spielen noch, wie wir von fast allen neueren Olympischen Spielen wissen.
Das Interview führte Mathias Müller. *Merkur.de ist ein Angebot von IPPEN.MEDIA