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Teilchenbeschleuniger in Raumgröße: US-Unternehmen will Wissenschaft und Technik revolutionieren

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Von: Constantin Hoppe

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Tau Systems Teilchenbeschleuniger
Das Unternehmen TAU-Systems will die Anwendung von Teilchenbeschleunigern demokratisieren. © Drew Anthony Smith/TAU-Systems

Teilchenbeschleuniger gehören zu den größten und teuersten Anlagen überhaupt. Doch ein Unternehmen aus Texas will sie nun zum Massenprodukt machen.

Austin – Medizin, Industrie und Grundlagenforschung – die Anwendungsgebiete für Teilchenbeschleuniger sind vielfältig. Rund 17.000 dieser Geräte gibt es weltweit und ihre Nutzung ist in vielen Bereichen nicht mehr wegzudenken. Nur einige wenige hundert Teilchenbeschleuniger sind dabei der Wissenschaft vorbehalten.

Die größten Anlagen, wie beispielsweise der Large-Hadron-Collider (deutsch: Großer-Hadronen-Speicherring, LHC) in der Schweiz, haben riesige Ausmaße, kosten dabei viele Milliarden Euro und sind nur einem kleinen Personenkreis zugänglich. Genau in diese Kerbe will das Start-Up TAU aus den USA schlagen. Gegründet von dem gebürtigen Deutschen Björn Manuel Hegelich, derzeit Professor an der University of Texas, will das Unternehmen Teilchenbeschleuniger bauen, die gerade einmal so groß sind wie ein Raum – bei nahezu gleicher Leistung.

Teilchenbeschleuniger in Raumgröße: US-Unternehmen setzt auf neuartige Laser-Technologie

Heutige Teilchenbeschleuniger funktionieren im Prinzip alle ähnlich: In ihrem Inneren werden geladene Teilchen durch elektromagnetische Felder in einem Vakuum stark beschleunigt. Je nach Teilchenart und Beschleunigertyp können die beschleunigten Teilchen annähernd Lichtgeschwindigkeit erreichen.

TAU hat jedoch eine neue Art von Beschleuniger entwickelt, der eine größere Skalierbarkeit der Anlagen zur Folge haben soll: Die gelingt durch eine neue Art von Lasertechnologie. Dank dieser gelingt es, Elektronen auf dreidimensionalen Plasmawellen „surfen“ zu lassen und sie so innerhalb kürzester Zeit auf ultrahohe Energien zu beschleunigen.

Die Laser-betriebenen Plasmabeschleuniger und Freie-Elektronen-Röntgenlaser, kurz XFEL (X-ray Free-Electron Lasers), die TAU Systems entwickelt hat, sollen einen noch nie dagewesenen Zugang zu einer Welt ultrakleiner Objekte ermöglichen, die sich unter ultrastarken Bedingungen ultraschnell entwickeln

Dabei arbeiten die Experten von TAU im Bereich der Attosekunden – eine Attosekunde entspricht dem milliardsten Teil einer milliardsten Sekunde (10-18 Sekunden). Eine Attosekunde verhält sich damit zu einer Sekunde wie eine Sekunde zu etwa 31,71 Milliarden Jahren.

Teilchenbeschleuniger sollen auf wenige Meter Größe geschrumpft werden

Bisher waren Hochenergie-Teilchenbeschleuniger eine Domäne von Ländern und Regierungsorganisationen: Der aktuell noch größte Teilchenbeschleuniger der Welt, der LHC in CERN, hat eine Länge von 27 Kilometern und kostete rund drei Milliarden Euro. Aufgrund ihrer enormen Größe und der sehr hohen Kosten ist der Zugang für Ingenieure und Biotech-Fachleute stark eingeschränkt.

Teilchenbeschleuniger Large Hadron Collider des CERN
Der Large Hadron Collider des CERN erstreckt sich über 27 Kilometer. © Maximilien Brice/CERN/dpa

Das soll sich laut Björn Manuel Hegelich ändern: „Im Grunde genommen nehmen wir einen normalen Teilchenbeschleuniger, der so groß ist wie ein Campus, aber mit unserer Technologie können wir ihn in einen Raum einbauen“, sagte er dem US-amerikanischen Nachrichtenmagazin Newsweek. „Ich meine, es wird immer noch eine große Maschine sein, soweit es Maschinen betrifft. Aber sie wird einige zehn Meter statt Kilometer groß sein, und sie wird einige zehn Millionen Dollar statt Milliarden kosten.“

Teilchenbeschleuniger in Raumgröße: Zahlreiche Anwendungsgebiet möglich

Gleichzeitig sollen die Teilchenbeschleuniger von TAU eine Leistung erreichen, die etwa 80 bis 90 Prozent der Leistung der heute größten Anlagen entspricht. „Die Spitzenleistung eines der Großbeschleuniger werden wir jedoch nicht erreichen“, sagt Hegelich.

Durch die Entwicklung der neuen Teilchenbeschleuniger will Hegelich mit seinem Unternehmen den Zugang zu diesen High-Tech-Geräten „demokratisieren“ und kommerzialisieren. Dadurch verspricht sich das Unternehmen auch einen großen Einfluss auf Forschung und Wirtschaft. „Bislang waren die leistungsstärksten Beschleuniger der Welt einfach zu groß und zu teuer, um für die große Mehrheit der wissenschaftlichen und unternehmerischen Nutzer ein realistisches Werkzeug zu sein“, erklärt Hegelich in einer Presseerklärung seines Unternehmens.

Teilchenbeschleuniger in Raumgröße: Möglicher Standort in Deutschland

Hegelich beschreibt zahlreiche Anwendungsgebiete, in denen die neuen Teilchenbeschleuniger zum Einsatz kommen könnten: etwa in der Medizin, der Materialkunde und bei der Herstellung von Solaranlagen. Nach derzeitigem Stand der Technik ist es jedoch nur möglich, Elektronen zu beschleunigen. Doch die Forschenden arbeiten bereits an einer Anlage zur Beschleunigung von Protonen. Letzteres würde zwar deutlich mehr Energie erfordern, doch könnte die Anlagen dann auch zur Beseitigung von Atommüll genutzt werden, sagt Hegelich gegenüber Newsweek.

Bereits 2024 will das 2021 gegründete Unternehmen seine ersten Teilchenbeschleuniger zum Verkauf anbieten. Geplant ist zunächst eine Verkauf in den USA, doch auch Deutschland steht ganz oben auf der Liste möglicher Standorte für weitere Herstellungszentren und Partnerschaften. (con)

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