Arbeitsagentur-Chefin Nahles kritisiert junge Generation: „Wir sind nicht die Agentur für Freizeit“

Andrea Nahles ist nun seit einem halben Jahr Chefin der Bundesagentur für Arbeit. In einem Interview lobt sie die ältere Generation – und kritisiert die Forderung nach mehr Work-Life-Balance.
Nürnberg – Andrea Nahles, frühere SPD-Chefin und Arbeitsministerin, ist nun seit einem halben Jahr Chefin der Bundesagentur für Arbeit. Sie steht vor gewaltigen Herausforderungen: Fachkräftemangel, Integration von Einwanderern und die Einführung des Bürgergelds, das zu Jahresbeginn das bisherige Hartz-IV-System ersetzen soll.
Arbeitsagentur-Chefin Nahles über Senioren: „Über eine Million sind bereit, weiterzuarbeiten“
Die Arbeitsagentur-Chefin machte dabei im Februar noch einmal klar, dass beim Fachkräftemangel alle Potenziale für den Arbeitsmarkt ausgeschöpft werden müssen. Dabei gehe es nicht nur um die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse und die Beteiligung von Frauen am Arbeitsmarkt, sondern auch um das Ausschöpfen der Potenziale älterer Arbeitnehmer kurz vor dem Ruhestand.
„Über eine Million sind bereit, weiterzuarbeiten“, sagte Nahles bei einem Treffen mit der SPD-Landtagsfraktion in München. Viele Ältere hätten Interesse, etwa in Teilzeitbeschäftigungen weiter einer sinnvollen Aufgabe nachzugehen und ihr Erfahrungen weiterzugeben.
Auch in einem Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) lobt die Arbeitsagentur-Chefin die ältere Generation: Viele Senioren, die trotz Ruhestand weiterarbeiten, würden angeben, dass sie nicht das Geld bräuchten, sondern eine sinnvolle Aufgabe, so Nahles: „Aber nicht mehr in dem Takt wie früher. Auch da liegen Potenziale.“
Sie spricht sich auch gegen eine Erhöhung des Renteneintrittsalters aus. „Das durchschnittliche Rentenalter entwickelt sich doch sowieso schon nach oben! Der Anteil derjenigen, die zwischen 60 und 65 noch arbeiten, lag 2015 bei 36 Prozent. Heute sind es 50 Prozent“, erklärt sie gegenüber der FAZ.
Nahles: „Wir sind die Agentur für Arbeit, nicht für Freizeit“
Den Ruf nach mehr Work-Life-Balance kann die Arbeitsagentur-Chefin aber nicht so gut nachvollziehen: „Da bin ich die falsche Ansprechpartnerin“, erklärt Nahles der Zeitung. „Zunächst mal: Wir sind die Agentur für Arbeit, nicht für Freizeit. Manche Forderungen irritieren mich, auch weil ich anders erzogen worden bin. Ich bin wirklich ein Arbeitsmensch.“
Sie kommt auf das Buch „Die Welt geht unter, und ich muss trotzdem arbeiten?“ von Sara Weber zu sprechen, in dem die Belastungen in der Arbeitswelt vor allem für jüngere Menschen behandelt werden. Nahles habe sich zuerst gefragt, was das denn solle. „Aber dann geht es bei ihr auch um gute Arbeitsbedingungen in der digitalisierten Arbeitswelt, um angemessene Bezahlung und klare Regeln. Also Themen, mit denen ich mich seit 30 Jahren befasse“, resümiert die Arbeitsagentur-Chefin gegenüber der FAZ. „Trotzdem: Arbeit wird auch in der neuen Welt notwendig sein.“
Mit Material der dpa